Geeignet oder ungeeignet?

In Vergabeverfahren stellt die Prüfung der Eignung der Bieter einen der zentralen Schritte bei der Wertung der Angebote durch den Auftraggeber dar. Maßgeblich für die Eignung der Bieter sind regelmäßig Referenzen, die Bieter dem Angebot durch Nachweise beifügen. Bei Nachweisen über Referenzen besteht oft Unklarheit welche Nachweise in welchem Umfang erbracht werden müssen und welchen Inhalt die Nachweise haben müssen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (B. v. 21.12.2023, 11 Verg 4/23) hat sich mit diesen Fragen zuletzt befasst und Klarheit darüber geschafft, welche Nachweise erbracht werden müssen und welche inhaltlichen Anforderungen die Nachweise erfüllen müssen. Diese Vorgaben müssen von Bietern bei der Erstellung von Angeboten im Rahmen von Ausschreibungen unbedingt berücksichtigt werden.

Jährliche Arbeitszeitstunden und eingesetzte Mitarbeiter

Der Auftraggeber hat einen Auftrag für die Durchführung von Sicherheitsdienstleistungen in einer hessischen Erstaufnahmeeinrichtung sowie für weitere Leistungen im Verwaltungsbereich und im Ankunftszentrum dieser hessischen Gemeinde europaweit ausgeschrieben. Die Auftragsbekanntmachung sah u.a. vor, dass die Referenzangaben der Bieter das Auftragsvolumen der zu leistenden Gesamtjahresstunden des jeweiligen Loses abdecken müssen. Der Auftrag erfasste insgesamt vier Lose und die Summe der Gesamtjahresstunden belief sich auf etwa auf 1,8 Mio. Zeitstunden. Die Bestandsdienstleisterin gab eine Referenzliste für alle Lose ab, in der sie den Umfang des Auftrages mit „Jahresstunden: ca. 1,5 Mio.“ bezifferte. Nicht in der Referenzliste erwähnt, aber zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig ist, dass die Bestandsdienstleisterin in einem der angegebenen Referenzprojekte über 2,5 Mio. Zeitstunden pro Jahr leistete. Der Auftraggeber hat die Bestandsdienstleisterin dennoch für die vier Lose des Auftrages ausgeschlossen. Er begründete dies damit, dass die Bestandsdienstleisterin die geforderten Referenzangaben nicht erfüllt habe, weil in der Referenzangabe etwa 300.000 Zeitstunden fehlten. Der Auftraggeber beabsichtigte nach Wertung der verbliebenen Angebote, einem weiteren Bieter den Zuschlag für die Aufträge zu erteilen. Eine der Referenzen dieses weiteren Bieters wies ein Volumen von 360.000 jährlichen Zeitstunden auf bei 105 eingesetzten Mitarbeitern. Dies entspricht 3.428,6 jährlichen Zeitstunden pro Mitarbeiter und 14,9 bis 15,5 täglichen Arbeitsstunden pro Mitarbeiter. Die Bestandsdienstleisterin beantragte im Verfahren vor dem OLG Frankfurt u.a. das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurück zu versetzen.

Auch Bestandsdienstleister müssen Referenzen vorlegen

Der Ausschluss des Bestandsdienstleisters ist rechtmäßig, denn die Bestandsdienstleisterin hat nicht die in der Ausschreibung geforderten Referenzen bezüglich der etwa 1,8 Mio. jährlichen Zeitstunden erbracht.

Die geforderten Referenzen müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu dem Auftragsgegenstand in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sie müssen in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden. Vorliegend musste die Referenz das Auftragsvolumen der zu leistenden Gesamtjahresstunden des jeweiligen Loses abdecken. Da die Bestandsdienstleisterin ein Angebot für alle vier Lose abgegeben hat, genügten die vorgelegten Referenzen nicht den Anforderungen in der Auftragsbekanntmachung.

Der Ausschluss wegen fehlender Referenzen ist auch dann rechtmäßig, wenn der Auftraggeber Kenntnis davon hat, dass die Bestandsdienstleisterin tatsächlich die Anforderungen in der Auftragsbekanntmachung erfüllt. Die Kenntnisse des Auftraggebers konnten nicht anderweitig zum Gegenstand des Angebots der Bestandsdienstleisterin werden, denn der Auftraggeber muss im Vergabeverfahren alle Bieter gleich behandeln. Das heißt für Bieter, dass sie Referenzen schriftlich unter Nutzung der vorgesehenen Tabellen nachweisen müssen.

Das Angebot konnte auch nicht teilweise für einzelne Lose berücksichtigt werden, für die die angegebenen jährlichen Zeitstunden der Bestandsdienstleisterin ausreichten. Die Bestandsdienstleisterin hat lediglich eine Liste für alle Lose abgegeben. Der Auftraggeber war nicht berechtigt, selbst zu entscheiden, für welches Los die Referenzliste als hinreichend gewertet werden sollte. Dies wäre ein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot, denn eine solche Zuordnung durch den Auftraggeber stellt eine Änderung des Angebotes dar. Eine Zuordnung der Stunden zu den einzelnen Losen hätte durch die Bestandsdienstleisterin im Angebot erfolgen müssen.

Die vorgelegten Referenzen der Bestandsdienstleisterin führten dazu, dass die Bestandsdienstleisterin wegen fehlender Eignung rechtmäßig von der Ausschreibung ausgeschlossen wurde. Der Ausschluss ist jedoch nicht auf eine tatsächlich fehlende Eignung zurückzuführen, sondern darauf, dass die Bestandsdienstleisterin die Referenzliste nicht entsprechend der Leistungen ausgefüllt hat, die von ihr tatsächlich erbracht wurden.

Vorgelegte Referenzen müssen nachvollziehbar sein

Vorliegend war jedoch auch die weitere Bieterin auszuschließen, der der Zuschlag erteilt werden sollte. Die geforderte Referenz in der Auftragsbekanntmachung zu der Angabe der Jahresstunden sowie der eingesetzten Mitarbeiter stand ebenfalls in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand. Es handelt sich um ein zulässiges Eignungskriterium zu den personellen und technischen Mitteln. Der Auftraggeber muss – wie schon bezüglich der Bestandsdienstleisterin – zunächst überprüfen, ob die Referenz die Anforderungen an die jährlichen Zeitstunden erfüllt. Im Anschluss muss der Auftraggeber überprüfen, ob die Angaben des Bieters plausibel sind. An der Plausibilität der Angaben des weiteren Bieters fehlte es. Die Referenz mit einem Volumen von 360.000 jährlichen Zeitstunden bei 105 eingesetzten Mitarbeitern, also einer Jahresstundenzahl pro Mitarbeiter von 3.428,6 Stunden und 14,9 bis 15,5 täglichen Arbeitsstunden, ist nicht nachvollziehbar und, falls die Angaben zutreffend sein sollten, dürften Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften vorliegen. Das Vergabeverfahren wurde folglich in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzt.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht die Relevanz von Referenzen und Nachweisen zu den Referenzen. Bieter müssen in Vergabeverfahren die Vergabeunterlagen, insbesondere die Auftragsbekanntmachung sorgfältig überprüfen, damit dem Angebot die geforderten Referenzen vollständig beigefügt werden. Zugleich müssen Bieter die Referenzlisten und Nachweise auf Plausibilität überprüfen. Für die Prüfung der Vergabeunterlagen sowie die Erstellung Ihres Angebotes im Rahmen von Ausschreibungen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.