Über das Alter spricht man doch

Und zwar gerne. Zumindest als Wirtschaftsunternehmen. Wir freuen uns daher ungemein, dieses Jahr auf eine 120jährige Geschichte von SPIEKER & JAEGER zurückblicken zu können. Zugegeben, aus den Gründungsjahren ist nach Rechtsform- und Standortwechseln, natürlichen Nachfolge- und Digitalisierungsprozessen auf den ersten Blick wenig geblieben. Dürfen wir uns also noch auf die langjährige Tradition stützen? Wann ist Werbung mit dem Alter erlaubt? Der folgende Beitrag soll einen kleinen Überblick geben.

Während sich die durchschnittliche Privatperson ab gesetzterem Alter tendenziell weniger mit den Lebensjahren brüstet, werben Unternehmen im Geschäfts­verkehr gerne und regelmäßig mit Altersangaben. Das ist durchaus verständlich, vermittelt der Hinweis auf Tradition und Erfahrung der potenziellen Kundschaft doch durchweg positive Attribute, wie Zuver­lässigkeit, Kontinuität oder auch Leistungsfähigkeit. Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht folglich zu Recht davon aus, dass werbliche Altersangaben für die Kaufentscheidung in aller Regel von erheblicher Relevanz sind, und zwar nicht nur direkte Altersangaben, sondern auch indirekte Altersangaben, die Qualitätssignale aussenden (vgl. BGH, Urt. v. 07.11.2002, I ZR 276/99). Alters-, oder auch „Traditionswerbung“, die zu Fehlvorstellungen auf Seiten des Verkehrs führt, ist somit regelmäßig als eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung über unter­nehmerische Eigenschaften i. S. d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) einzustufen.

Dabei kommt es für die Beurteilung, ob eine Alterswerbung irre­führend ist, nicht auf die subjektive Vorstellung des werbenden Unternehmens an; gerade im Bereich der Alterswerbung lässt sich feststellen, dass die werbenden Unternehmen häufig in gutem Glauben an die Zulässigkeit der Werbeangaben agieren. Entscheidend ist vielmehr, welchen Gesamteindruck die Werbung aus Sicht der relevanten Verkehrskreise vermittelt. Häufig stimmen die subjektiven Vorstellungen des werbenden Unternehmens und das von der Rechtsprechung unterstellte Verkehrsverständnis nicht überein. Exemplarisch sei auf eine ältere Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg (Urt. v. 12.01.1984, 3 U 164/83) verwiesen. Der Senat befand den Werbehinweis „Familientradition seit 1910“ eines Juwelierunternehmens für irreführend, weil der Verkehr einen (unzutreffenden) Hinweis auf das Alter des Unternehmens erkenne. Tatsächlich war das Unternehmen deutlich später gegründet worden. Das werbende Unternehmen hatte den Werbehinweis darauf gestützt, dass auch Vater und Großvater des Juweliers Goldschmiedemeister waren. Insofern war der Hinweis auf eine „Familientradition“ durchaus nachvollziehbar, gleichwohl in den Augen des Gerichts irreführend.

Bei der Werbung mit einer Altersangabe verlangt die Rechtsprechung letztlich einen gewissen wirtschaftlichen Fortbestand im Sinne einer Unternehmenskontinuität. Das mit der Alternsangabe werbende Unternehmen muss wirtschaftlich mit dem früheren Unternehmen als „wesens­gleich“ angesehen werden können (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.03.2021, 6 U 212/19). Ob eine solche Kontinuität besteht, ist immer eine Frage des Einzel­falls. Jedenfalls sind ein zwischenzeitlicher Inhaberwechsel, eine sonstige Rechtsnachfolge oder Änderungen des Firmennamens bzw. der Rechtsform unerheblich, wenn eine wirtschaft­liche Kontinuität gegeben ist (vgl. OLG Hamburg, B. v. 19.02.2020, 3 W 16/20).

Zu beachten ist allerdings, dass auch bei verändertem Produkt- oder Dienstleistungsportfolio die erforderliche Geschäftskontinuität unterbrochen sein kann. So hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in den 1960er Jahren die Werbung eines Sektherstellers mit seinem Gründungsjahr für einen Sekt als irreführend untersagt, weil das Unternehmen zunächst mit Wein gehandelt hatte und erst später zur Sektherstellung übergegangen war (Urt. v. 31.05.1960, I ZR 16/59). Die heutige Rechtsprechung ist allerdings nicht mehr so streng wie damals. So hat es das OLG Frankfurt am Main als unschädlich angesehen, dass ein Unternehmen aus der Glasindustrie mit einer Unternehmenstradition auch für hinzugenommene Geschäftsfelder (hier der Rolladenbau) geworben hatte (B. v. 07.09.2015, 6 U 69/15).

Auch die werbliche Verwendung indirekter Altersangaben kann aus Sicht des Verkehrs als (unzutreffender) Hinweis auf das Unternehmens­alter erkannt werden. So hat das OLG Köln etwa in der Angabe „Zeitsprung 1883“ auf einer Armbanduhr einen irreführenden Hinweis auf eine Unternehmenstradition erkannt (Urt. v. 23.12.2020, 6 U 74/20). Tatsächlich wollte das werbende Unternehmen lediglich auf die im Jahre 1883 entwickelte Sprungzifferntechnik Bezug nehmen. Auch wurde eine Werbung für ein Bier, in der ein Original-Rezept auf einer alten Pergamentrolle mit auffallendem Siegel dargestellt war, als irreführend eingestuft (vgl. OLG Köln, Urt. v. 27.06.1979, 6 U 179/78).

Die möglichen Anwendungsfälle einer irreführenden Alterwerbung beschränken sich somit nicht nur auf die Angabe eines Gründungsjahres, sondern können vielfältig sein. Nicht jede denkbare Fehlvorstellung des Verkehrs führt dabei zu einer wettbewerbsrechtlich relevanten Irreführung. Als Korrektiv dienen insoweit zum einen die Relevanzschwelle, zum anderen eine stets vorzunehmende Verhältnismäßigkeits­prüfung. So kann etwa Alterswerbung, die seit geraumer Zeit unbeanstandet verwendet wird, im Einzelfall erlaubt sein, weil die Individualinteressen des Werbenden höher zu gewichten sind als Allgemeininteressen.