Erste Entscheidung zum Hinweisgeberschutzgesetz – Repressalienschutz greift nicht in jedem Fall

Am 02.07.2023 mit Übergangsfrist zum 17.12.2023 trat das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft. In Umsetzung einer europäischen Richtlinie sollen natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach dem Hinweisgeberschutzgesetz vorgesehenen internen oder externen Meldestellen melden oder offenlegen, geschützt werden.

Das Gesetz findet nicht nur Anwendung bei einer Offenlegung oder Meldungen von Verstößen gegen europäisches Recht, sondern auch bei Verstößen gegen deutsche Strafnormen und bei Verstößen, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Hierzu zählen auch die Gesundheitsschutz- und Arbeitsschutzvorschriften.

Zur effektiven Umsetzung des Gesetzes sieht § 12 Abs. 2 HinSchG vor, dass alle Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 Beschäftigten eine interne Meldestelle einzurichten haben. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung ist bußgeldbewehrt. Das HinSchG will hinweisgebende Personen dazu ermutigen, auf Missstände in Unternehmen und Behörden aufmerksam zu machen. Zentrales Element ist daher das zum Schutz der Hinweisgeber in § 36 Abs. 1 HinSchG verankerte Verbot von Repressalien. Unternehmen müssen beachten, dass sämtliche Repressalien einschließlich der Androhung und des Versuchs von Repressalien untersagt sind. Verboten sind insbesondere: Suspendierung, Kündigung, Herabstufung oder Versagung von Beförderung, Nötigung, Einschüchterung, Mobbing oder Aussetzung, aber auch Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge, Rufschädigung, Entzug einer Genehmigung, negative Leistungsbeurteilung etc.

Repressalien sind nicht nur verboten, sondern werden auch mit hohen Bußgeldern geahndet. Um die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen gegen Repressalien gegen den Schädiger zu verbessern, enthält das HinSchG in § 36 Abs. 2 zudem eine Beweislastumkehr zugunsten der geschützten Person. Bisher musste der Hinweisgeber den Zusammenhang zwischen Meldung und Benachteiligung im Streitfall nachweisen. Künftig muss das Unternehmen den (abweichenden) Grund für eine vermeintliche Benachteiligung darlegen und ggf. beweisen, wenn die Benachteiligung nach der Meldung erfolgt. Künftig wird also der Arbeitgeber darlegen und beweisen müssen, dass etwa zwischen einer Kündigung eines Mitarbeiters und einer vorhergehenden Meldung durch den Mitarbeiter keinerlei Verbindung besteht.

In einem aktuellen Fall hat ein Hinweisgeber von seinem Arbeitgeber wegen einer behaupteten Repressalie Schadenersatz in Höhe von rund EUR 40.000 verlangt. Er war als Krankenpfleger in einer Klinik befristet beschäftigt. In einem Personalgespräch am 30.07.2023 – zu diesem Zeitpunkt innerhalb der Übergangsfrist hatte die Klinik noch keine aufgrund der Beschäftigtenzahl erforderliche interne Meldestelle eingerichtet – wies der Beschäftigte auf Missstände im Umgang mit Patienten hin. Nur zwei Monate danach teilte die Klinik dem Beschäftigten mit, dass die auslaufende Befristung nicht verlängert würde. Darin sah dieser eine Repressalie als Reaktion auf seinen Hinweis, berief sich auf die Indizwirkung und begehrte Schadensersatz im Hinblick auf die durch die Nichtverlängerung seiner Befristung entfallende Vergütung.

In einer ersten zum HinSchG ergangenen Entscheidung befasste sich das Arbeitsgericht (ArbG) Hamm mit der Frage, ob ein sogar berechtigter Hinweis auf Missstände gegenüber Vorgesetzten oder in einem Personalgespräch vom Repressalienschutz des HinSchG umfasst wird (Urt. v. 16.02.2024, 2 Ca 1229/23).

Zu Recht geht das Gericht davon aus, dass gemäß § 36 Abs. 1 S. 1 HinSchG Repressalien gegen hinweisgebende Personen verboten sind und gemäß § 36 Abs. 2 HinSchG auch vermutet wird, dass die erlittene Benachteiligung eine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung der hinweisgebenden Person ist. Das Arbeitsgericht wies die Klage aber ab, weil der Kläger seine Vorwürfe nicht gegenüber einer Hinweisstelle im Sinne des Gesetzes, sondern in einem Personalgespräch erhoben habe. Solche Meldungen gegenüber dem Arbeitgeber wären vom Schutz des HinSchG nicht umfasst.

Die Kammer begründet die Entscheidung mit dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG, wonach die Vorschriften der §§ 35 bis 37 HinSchG nur auf hinweisgebende Personen anwendbar sind, die intern gemäß § 17 HinSchG oder extern gemäß § 28 HinSchG Meldung erstattet haben. Auch aus § 1 Abs. 1 HinSchG ergebe sich, dass natürliche Personen geschützt werden, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach dem Gesetz vorgesehenen Meldestellen gemeldet oder offengelegt haben. Dass die Klinik zum Zeitpunkt des Hinweises noch über keine interne Meldestelle verfügte, sah das Gericht nicht als erheblich an, da zum damaligen Zeitpunkt die Übergangsfrist zur Einrichtung einer internen Meldestelle noch lief. Für den Kläger hätte die Möglichkeit bestanden, sich an eine externe Meldestelle zu wenden, was er nicht getan habe.

Wir halten die Entscheidung für richtig. Es gibt keinen Anlass, den Anwendungsbereich des HinSchG gegen den Gesetzeswortlaut dahingehend zu erweitern, dass dieses auch gilt für Beschwerden bzw. Hinweise im Rahmen von Personalgesprächen. Da Hinweisgeber zudem selbst etwa bei grob fahrlässigen Falschmeldungen nach § 38 HinSchG zum Schadensersatz verpflichtet sein können, dienen die formalen Anforderungen der § 13 ff., § 24 ff. HinSchG neben dem Schutz der durch die Hinweise belasteten Mitarbeiter auch dem Eigenschutz hinweisgebender Personen vor unbedachten und spontanen „Meldungen“ etwa anlässlich von Personalgesprächen oder Besprechungen.