Ausfallhaftung der Gesellschafter bei Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen

In Gesellschaftsverträgen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) finden sich häufig Regelungen, die es ermöglichen, Geschäftsanteile von Gesellschaftern, in deren Person ein wichtiger Grund vorliegt, auch ohne deren Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss einzuziehen.

Mit seinem Urteil vom 24.01.2012 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die zum damaligen Zeitpunkt umstrittene Frage entschieden, dass der Einziehungsbeschluss bereits mit der Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit der Leistung des Abfindungsguthabens wirksam wird.

Der BGH trägt mit dieser Entscheidung dem Grundsatz Rechnung, dass die Gesellschaft nicht mit der weiteren Mitgliedschaft des auszuschließenden Gesellschafters (des Störenfriedes) bis zur Auszahlung des Abfindungsguthabens belastet wird. Im Gegenzug müsse der ausgeschiedene Gesellschafter – so der BGH – jedoch davor geschützt werden, dass die verbleibenden Gesellschafter sich mit der Fortsetzung der Gesellschaft den wirtschaftlichen Wert des Anteils des ausgeschiedenen Gesellschafters aneignen und ihn aufgrund der im § 30 Abs. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) geregelten gläubigerschützenden Kapitalerhaltungspflicht – das Abfindungsguthaben darf nur ausgezahlt werden, wenn durch die Auszahlung das Stammkapital nicht beeinträchtigt wird – mit seinem Abfindungsanspruch leer ausgehen lassen.

Um den ausgeschiedenen Gesellschafter insoweit zu schützen, hat der BGH judiziert, dass die verbleibenden Gesellschafter dem ausgeschiedenen Gesellschafter anteilig im Hinblick auf dessen Abfindungsguthabens haften, wenn sie nicht dafür Sorge tragen, dass die Abfindung aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann, oder sie die Gesellschaft nicht auflösen.

In einer aktuellen Entscheidung vom 10.05.2016 hat der BGH nunmehr diese im Urteil vom 24.01.2012 kreierte Haftung der verbleibenden Gesellschafter weiter konkretisiert. Der BGH stellt klar, dass die von ihm in seinem Urteil vom 24.01.2012 kreierte Haftung der Gesellschafter

  • weder bereits mit der Fassung des Einziehungsbeschlusses entsteht
  • noch allein aufgrund des Umstandes, dass die Gesellschaft später zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfindungszahlung gem. §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG an der Zahlung der Abfindung gehindert ist
  • oder die Gesellschaft die Zahlung unter Berufung auf dieses Hindernis verweigert.

Eine Haftung der verbleibenden Gesellschafter entstehe darüber hinaus grundsätzlich auch dann nicht, wenn im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfindung oder danach über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet werde oder die Gesellschaft insolvenzreif werde, so dass gem. § 15 a Insolvenzordnung (InsO) Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden müsse und die Antragstellung nicht treuwidrig verzögert werde. Denn in diesen Fällen scheide eine treuwidrige Fortsetzung der Gesellschaft durch die übrigen Gesellschafter bereits deshalb aus, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Auflösung der Gesellschaft führe, § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG.

Vielmehr soll die skizzierte Haftung der Gesellschafter erst in dem Zeitpunkt entstehen, ab dem die Fortsetzung der Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen ist. Diese Voraussetzung soll insbesondere nicht ohne Weiteres erfüllt sein, wenn objektiv ein ausreichendes Vermögen für die Abfindungszahlung durch die Gesellschaft vorhanden ist, die Gesellschaft insofern jedoch eine andere Einschätzung vertritt. Insoweit liegt nämlich das Risiko, dass die Gesellschaft die Abfindung nicht freiwillig zahle, beim ausgeschiedenen Gesellschafter. Dieser müsse seinen Anspruch gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen. – Für die zur Anspruchsbegründung erforderliche treuwidrige Fortsetzung der Gesellschaft ist der ausgeschiedene Gesellschafter darlegungs- und beweisbelastet sein. Vor diesem Hintergrund ist eine Durchsetzung des skizzierten Anspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters mit erheblichem Aufwand verbunden, sofern sie überhaupt realisiert werden kann.

Denn der ausgeschiedene Gesellschafter hat infolge seines sofortigen Ausscheidens ab Bekanntgabe des Einziehungsbeschlusses weder Einfluss auf die Fortführung der Gesellschaft noch verbleiben ihm Auskunfts- und Informationsansprüche gem. § 51 a GmbHG. Ohne Informationen aus dem Inneren der Gesellschaft wird der ausgeschiedene Gesellschafter jedoch kaum darlegen und beweisen können, wann eine möglicherweise zunächst redliche Fortführung der Gesellschaft in ein treuwidriges Verhalten umschlägt.

Nach der Entscheidung des BGH vom 10.05.2016 dürfte die mit Urteil vom 24.01.2012 neu geschaffene Haftung der verbleibenden Gesellschafter für das Abfindungsguthaben des ausgeschiedenen Gesellschafters eingegrenzt worden sein. Gleichwohl verbleibt auch in Anbetracht der Entscheidung des BGH vom 10.05.2016 eine gewisse Unsicherheit, bei welchen Fallkonstellationen der BGH von einer treuwidrigen Geschäftsfortführung ausgehen wird. Wenngleich der BGH mit seiner Entscheidung vom 10.05.2016 klargestellt hat, dass weder die bloße Nichtzahlung der Abfindung noch eine Verschlechterung der Vermögenslage der Gesellschaft allein für die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens sprechen kann, verbleiben doch letzte Restrisiken bei der Beantwortung der Frage, wann definitiv ein treuwidriges Verhalten anzunehmen ist. Die Entwicklung der Rechtsprechung bleibt insofern abzuwarten.