Änderungen der Verwaltungspraxis bei Umstrukturierungen

Bei Umstrukturierungen kommt es in zahlreichen Fallgestaltungen darauf an, dass Übertragungen von Vermögensgegenständen auf eine Gesellschaft „gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten“ erfolgt. So ist beispielsweise eine Buchwertübertragung (Vermeidung der Aufdeckung stiller Reserven) möglich, wenn Einzelwirtschaftsgüter aus einem Betriebsvermögen (auch Sonderbetriebsvermögen) auf eine Personengesellschaft übertragen werden, sofern die Übertragung „gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten“ erfolgt. Das gleiche gilt, wenn ein Teilbetrieb (und damit z. B. auch eine 100 %-ige GmbH-Beteiligung) in eine Personengesellschaft eingebracht wird. Dabei stellt sich dann regelmäßig die Frage, welche Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal „gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten“ zu stellen sind. In Personengesellschaften werden häufig zwei Arten von Kapitalkonten geführt: Während das Kapitalkonto I maßgeblich ist für das Haftkapital, die Stimmrechte und die Gewinnbeteiligung, werden auf dem Kapitalkonto II Rücklagen gebucht (z. B. verdeckte Einlagen, nicht entnahmefähige Gewinne usw.). Auch dieses Kapitalkonto II ist ein Eigenkapitalkonto, wenn das Konto an Verlusten teilnimmt, was regelmäßig im Gesellschaftsvertrag so gestaltet wird (lediglich die Darlehens- bzw. Privatkonten nehmen nicht am Verlust teil, sie sind daher kein Eigenkapitalkonto, sondern begründen nur schuldrechtliche Ansprüche des Gesellschafters gegen die Personengesellschaft). Die Finanzverwaltung ist bislang davon ausgegangen, dass eine „Gewährung von Gesellschaftsrechten“ auch dann vorliegt, wenn die Gegenbuchung für die Einlage des Wirtschaftsgutes auf dem Kapitalkonto II erfolgte, sofern dieses Konto am Verlust teilnahm und damit Eigenkapitalcharakter hatte. Nachdem der 4. Senat des Bundesfinanzhofes (BFH) in einem Urteil vom 29.07.2015 zu einem ähnlichen Sachverhalt entschieden hatte, dass Gesellschafterrechte nur gewährt werden, wenn das Kapitalkonto I angesprochen wird, hat die Finanzverwaltung nunmehr ihre bisherige Haltung aufgegeben. In einem Erlass vom 26.07.2016 hat die Finanzverwaltung festgelegt, dass eine Einlage „gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten“ jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn die Buchung ausschließlich auf dem Kapitalkonto II erfolgt. Es ist bislang noch offen, welche Auswirkungen es hat, wenn sowohl das Kapitalkonto I als auch das Kapitalkonto II angesprochen wird. Diese Entscheidung und dieser Erlass haben erhebliche praktische Bedeutung: Denn in der Vergangenheit wurden die Fälle häufig so gestaltet, dass das Kapitalkonto I aus bestimmten, verschiedenen Gründen gerade nicht angesprochen wurde, sondern das Kapitalkonto II.