„Stop it!“ – wenn es mal schneller gehen muss

Gerichtsverfahren können langwierig sein. Nach dem kürzlich veröffentlichten EU-Justizbarometer 2020 der Europäischen Kommission betrug die (geschätzte) Mindestdauer eines erstinstanzlichen Zivil- oder Handelsrechtsverfahrens in Deutschland im Jahr 2018 mehr als 200 Tage (vgl. „The 2020 EU Justice Scoreboard”). Im EU-weiten Vergleich liegt die deutsche Gerichtsbarkeit damit im Mittelfeld. Zum Vergleich: In unserem Nachbarland Italien betrug die entsprechende Verfahrensdauer in demselben Zeitraum über 500 Tage.

Gerade im unternehmerischen Wettbewerb ist es Unternehmern aber häufig nicht zumutbar, mehrere Monate auf ein Gerichtsurteil zu warten. Dies gilt insbesondere dann, wenn es darum geht, unlautere Maßnahmen oder gar rechtsverletzende Nachahmungen von Mitbewerbern untersagen zu lassen. Dann besteht regelmäßig Interesse an einer Möglichkeit, mit der ein Mitbewerber unverzüglich ausgebremst werden kann.

Abhilfe schafft in solchen Situationen das einstweilige Verfügungsverfahren. In diesem Verfahren kann erreicht werden, dass dem unliebsamen Mitbewerber ein Verhalten vorläufig, daher bis zum Abschluss des (langwierigen) Hauptsacheverfahrens verboten wird, bestenfalls sogar ohne Durchführung einer mündliche Verhandlung. Für ein solches einstweiliges Verfügungsverfahren gelten besondere „Spielregeln“, die kürzlich noch seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nachjustiert worden sind und deren Einhaltung über Wohl und Wehe des Eilantrages entscheiden.

Ein Überblick:

Das Vorgehen nach Kenntniserlangung von dem möglichen Rechtsverstoß

Erlangt man Kenntnis von dem schädlichen Verhalten eines Mitbewerbers, gilt es, zügig zu handeln. Einem Eilantrag wird nämlich nur stattgegeben, wenn auch eine Eilbedürftigkeit besteht, die wiederum durch ein zu langes Abwarten mit der Antragstellung widerlegt ist. Die meisten Gerichte gehen davon aus, dass ein Eilantrag innerhalb eines Monats nach Kenntnis von der rechtsverletzenden Handlung eingereicht werden muss.

Tatsächlich muss der Antragsteller aber deutlich früher tätig werden. Bevor ein Eilantrag bei Gericht gestellt werden kann, muss dem unliebsamen Mitbewerber zunächst noch die Möglichkeit gegeben werden, von sich aus die gerügte Handlung einzustellen und ein Gerichtsverfahren durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu verhindern. Dies geschieht in der Regel mittels einer förmlichen Abmahnung. Eine solche dem Eilantrag vorgehende Abmahnung ist nur in absoluten Ausnahmefällen entbehrlich, so etwa dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der durch die Abmahnung vorgewarnte Mitbewerber ansonsten Beweise beiseiteschaffen könnte.

Die Anforderungen an eine hinreichende Abmahnung sind in den vergangenen Monaten deutlich angehoben worden. So hat das BVerfG jüngst in einigen wegweisenden Entscheidungen festgehalten, dass auch in einem Eilverfahren der Antragsgegner vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung die Möglichkeit haben muss, zu den Vorwürfen vollständig Stellung zu nehmen. Während in der Vergangenheit ein Abmahnschreiben unter Berücksichtigung des bestehenden Zeitdrucks häufig weniger ausführlich gestaltet war, als der sodann folgende Eilantrag, muss nun penibel genau darauf geachtet werden, dass Abmahnung und Eilantrag weitestgehend deckungsgleich sind. Anderenfalls sind die Gerichte aufgrund der neuen Vorgaben des BVerfG gehalten, den Antragsgegner zunächst in einer mündlichen Verhandlung anzuhören, bevor ein Eilbeschluss erlassen wird.

Will heißen: Wenn es besonders schnell gehen muss, sollte bereits die Abmahnung so vollständig ausgearbeitet sein, dass der Mitbewerber zu allen relevanten Punkten Stellung nehmen kann. Anderenfalls wird das Gericht einen Eilbeschluss nicht (mehr) ohne mündliche Verhandlung erlassen dürfen, was letztlich zu einer Verzögerung des begehrten Eilbeschlusses führt. Der Rechtsbegehrende tut daher gut daran, unverzüglich nach Kenntnis von der Rechtsverletzung seinen Anwalt zu konsultieren, damit im Kampf gegen die Uhr bereits das Abmahnschreiben hieb- und stichfest, sowie inhaltlich erschöpfend ausgestaltet ist.

Das Vorgehen nach Erlass der Untersagungsverfügung

Für den Fall, dass das Gericht die begehrte einstweilige Verfügung erlässt, muss diese dem Gegner zügig zugestellt werden. Hier gilt es wieder, zeitlich enge Fristen einzuhalten. Erst mit Zustellung der Verfügung ist es dem Mitbewerber untersagt, die gerügte Handlung fortzusetzen. Unter Umständen ist er auch verpflichtet, aktiv die Folgen seiner Handlungen zu beseitigen, so etwa rechtsverletzende Produkte aus dem Markt zu nehmen.

Verstößt der Mitbewerber gegen die gerichtliche Untersagung, kann beantragt werden, ihm ein merkbares Ordnungsmittel aufzuerlegen. Die – allerdings selten erreichte – Höchstgrenze liegt hier bei beachtlichen EUR 250.000.

Die einstweilige Verfügung enthält nur eine vorläufige Regelung. Für eine endgültige Regelung muss grundsätzlich auch noch ein „normales“ Klageverfahren durchgeführt werden. Um ein solches zu vermeiden, kann der Mitbewerber mit einem sogenannten „Abschlussschreiben“ aufgefordert werden, die einstweilige Verfügung als endgültige und rechtsverbindliche Regelung anzuerkennen. Ist der Gegner zwischenzeitlich zur Einsicht gelangt, wird er sich zur Vermeidung weiterer Kosten der einstweiligen Verfügung fügen und diese als endgültige Regelung anerkennen. Gibt er hingegen keine Abschlusserklärung ab, muss die einstweilige Verfügung in einem normalen Klageverfahren bestätigt werden. Dann wiederum „droht“ eine Verfahrenslaufzeit von mehreren Monaten. Solange die einstweilige Verfügung aber gilt, hat der Antragsteller selbstredend kein gesteigertes Interesse mehr an einem schnellen Verfahrensabschluss.

Das gerichtliche Eilverfahren ist vielschichtig und bietet einige Fallstricke. Gerade nach den neueren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist die frühzeitige und sorgfältige Vorbereitung eines solchen Verfahrens von immenser Bedeutung.