Einführung von Kurzarbeit durch fristlose Änderungskündigung

Die Einführung von Kurzarbeit stellt eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen dar und bedarf in jedem Fall einer Rechtsgrundlage im konkreten Arbeitsverhältnis. In jenen Fällen, in denen Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, also kollektivrechtlich zwingende Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit fehlen, kommt nur eine individuelle Vereinbarung mit einzelnen Arbeitnehmern als Rechtsgrundlage in Betracht. Regelmäßig finden sich in den bisher abgeschlossenen Arbeitsverträgen solche Regelungen nicht.

Scheidet damit die Einführung von Kurzarbeit und deren Anordnung gegenüber solchen Arbeitnehmern auf Dauer aus, die sich einer freiwilligen Vereinbarung verschließen?

In der Literatur wird für solche Fälle bereits seit längerem die Ansicht vertreten, dass es auch dem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber, bei dem kein Betriebsrat gewählt ist, möglich sein muss, bei Wahrung der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen der Anordnung von Kurzarbeit in §§ 95 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) III Kurzarbeit anzuordnen. Die dafür erforderliche Rechtsgrundlage könne mit Hilfe einer Änderungskündigung erreicht werden.

Da es sich bei einer solchen Kündigung aber sicher um eine betriebsbedingte Änderungskündigung handelt und betriebsbedingte Kündigungen jedenfalls regelmäßig unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist ausgesprochen werden müssen, würde eine solche Änderungskündigung gerade bei langfristig Beschäftigten und deren gesetzlichen Kündigungsfristen von bis zu 7 Monaten keine schnelle Abhilfe schaffen.

Insbesondere diesen zeitlichen Gesichtspunkt aufgreifend hat nunmehr das Arbeitsgericht (ArbG) Stuttgart (Urt. v. 22.10.2020, 11 Ca 2950/20) eine außerordentliche fristlose Änderungskündigung mit dem Ziel, die Einführung von Kurzarbeit zu ermöglichen, für wirksam gehalten.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war seit 2011 bei der Beklagten, einem betriebsratlosen Unternehmen mit mehr als 10 Arbeitnehmern beschäftigt. Die Auftragsrückgänge infolge der COVID-19-Pandemie im März 2020 führten bei diesem Unternehmen zu einem erheblichen Arbeitsausfall, den das Unternehmen bei der Agentur für Arbeit anzeigte. Das Unternehmen führte sodann bis zum Jahresende bewilligte Kurzarbeit ein. Die Klägerin, seit Anfang April bis August durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, wurde am 09.04.2020 um ihre Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit gebeten. Sie lehnte eine Unterzeichnung einer Änderungsvereinbarung ab. Am 22.04.2020 sprach die Beklagte eine fristlose, hilfsweise ordentlich fristgerechte Änderungskündigung zum 31.07.2020 aus. Mit dieser Änderungskündigung sollte die Arbeitgeberin berechtigt werden, für die Zeit vom 18.05.2020 bis 31.12.2020 Kurzarbeit bei Vorliegen eines erheblichen Arbeitsunfalls und der weiteren Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III einzuführen. Beginn und Ende der Kurzarbeit sowie die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit sollte die Arbeitgeberin unter Wahrung einer Ankündigungsfrist von drei Wochen in Textform mitteilen dürfen, wobei die Verteilung der im Zeitraum der Kurzarbeit verbleibenden Arbeitszeit auf die einzelnen Kalendertage sowie die Lage der täglichen Arbeitszeit sich nach den betrieblichen Erfordernissen und arbeitgeberseitigen Weisungen richten sollte. Hilfsweise sollten die Änderungen durch eine ordentliche Änderungskündigung mit Wirkung zum 01.08.2020 in Kraft treten. Die Klägerin nahm das Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und erhob Änderungskündigungsschutzklage.

Das ArbG Stuttgart bejahte die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen betriebsbedingten Änderungskündigung gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund. Für die Wirksamkeit sei im konkreten Fall entscheidend, dass die zugrundeliegende Organisationsentscheidung die vorgeschlagene Änderung erforderlich machte und dass sie auch ohne oder mit weniger einschneidenden Änderungen nicht umsetzbar gewesen wäre.

Das Gericht stellte folgende amtliche Leitsätze auf:

1. Eine fristlose Änderungskündigung mit dem Ziel, eine Einführung von Kurzarbeit zu ermöglichen, kann im Einzelfall als betriebsbedingte Änderungskündigung nach § 626 BGB gerechtfertigt sein.

2. Die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesarbeitsgerichts zur reinen Entgeltreduzierung durch Änderungskündigung sind auf eine Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit nicht übertragbar.

3. Für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Kündigung sind insbesondere eine entsprechende Ankündigungsfrist und eine Begrenzung der Dauer der (möglichen) Kurzarbeit von Bedeutung sowie der Umstand, dass Kurzarbeit nur dann eingeführt werden kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld auch in der Person des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin vorliegen.

Der Entscheidung ist in vollem Umfang zuzustimmen.

Damit der Arbeitgeber in der Lage ist, die im SGB III  sozialrechtlich ausdrücklich  zugelassenen Möglichkeiten von Kurzarbeit in besonderen Situationen auch kurzfristig zu nutzen, muss es ihm grundsätzlich möglich sein, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Kurzarbeit zeitnah einzuführen. Damit strahlt das Vorliegen der sozialgesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen zur Beantragung von Kurzarbeit auch als dringendes betriebliches Erfordernis in das Arbeitsrecht und das individuelle Arbeitsverhältnis aus. Richtigerweise weist das ArbG Stuttgart auch darauf dahin, dass die Einführung von Kurzarbeit keine reine und auf Dauer angelegte Entgeltreduzierung darstellt und verneint damit auch folgerichtig die Anwendbarkeit der für diese Fälle entwickelten strengeren Vorgaben der Rechtsprechung.

Das Gericht prüft Fragen der Gebotenheit und anderer insbesondere milderer Abwendungsmöglichkeiten auf der Stufe der Verhältnismäßigkeit der Änderungskündigung, bei der das Änderungsangebot richtigerweise nur das unbedingt erforderliche Maß einer Veränderung umfassen darf.

Um im Einzelfall die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit, speziell in der Form einer außerordentlichen Änderungskündigung zu erfüllen, sollten Arbeitgeber, die den Weg der Änderungskündigung wählen, diese grundsätzlich außerordentlich, hilfsweise ordentlich aussprechen und im Änderungsangebot die gesetzlichen Anforderungen der Kurzarbeit in den §§ 95 ff. SGB III berücksichtigen. Das Änderungsangebot sollte mithin eine angemessene Ankündigungsfrist bis zum Beginn der Kurzarbeit einplanen. Die kraft Änderungskündigung angeordnete Kurzarbeit sollte zudem auf einen konkreten Zeitraum begrenzt werden, in dem der Arbeitsausfall sicher bestehen bleiben wird.

Die große Mehrheit der Arbeitnehmer wird aber angesichts der derzeitigen weltweiten Ausnahmesituation hoffentlich Verständnis für das Begehren des Arbeitgebers zeigen, durch die Einführung von Kurzarbeit die wirtschaftlichen Folgen der Krise abzumildern um so möglichst dauerhaft den Fortbestand des Unternehmens zu sichern und damit auch betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.