Preisbindung unplugged!

Das Verbot der vertikalen Preisbindung gibt es bereits seit den 1970er Jahren. Trotzdem sind Hersteller immer wieder geneigt, Händlern kartellrechtswidrige Preise vorzugeben, wie ein aktuelles Beispiel eines Gitarrenherstellers zeigt. Ein spanischer Gitarrenhersteller hatte auf Groß- und Einzelhändler erheblichen Druck ausgeübt. Zum Teil wurden Einzelhändler, so das Bundeskartellamt, sogar ganz konkret aufgefordert, die Endkundenpreise anzuheben. Wirtschaftlich durchaus nachvollziehbares Ziel war es dabei wohl, einen Preisverfall bei seinen Gitarren zu stoppen und ein Mindestpreisniveau zu etablieren.

Verbot der vertikalen Preisbindung

Verpflichtet ein Hersteller seine Abnehmer, die von ihm gelieferte Ware nur zu dem von ihm festgelegten Preis weiterzuveräußern oder übt dahingehenden Druck aus, verstößt dieser Hersteller gegen Kartellrecht. Vereinbarungen über Fest- oder Mindestpreise des Händlers sind kartellrechtlich unzulässig.

Die autonome Entscheidungsfindung des Handelspartners über den zu setzenden Preis soll geschützt werden, um den Preiswettbewerb auf Handelsebene zu gewährleisten. Diesem Ziel laufen Vereinbarungen zwischen Hersteller und Handel über den Wiederverkaufspreis zuwider, unabhängig davon, ob der Ladenverkaufspreis unmittelbar oder nur mittelbar (über entsprechenden Druck) festgelegt wird.

Kartellrechtswidrig sind daher etwa die Klauseln „Der Regalpreis beträgt EUR 1,89, der Aktionspreis mindestens EUR 1,69“ oder „Eine Unterschreitung der Unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) um maximal 3 % ist zulässig.“ Kartellrechtswidrig wäre auch ein festgelegter Spannenaufschlag auf den Einkaufspreis („Der Ladenverkaufspreis (LVP) wird durch den n/n-Einkaufspreis zuzüglich einer Spanne von 25 % gebildet.“) oder etwa die Anknüpfung an den LVP eines dritten Händlers („Der LVP darf den LVP des Händlers X nicht unterschreiten.“). Dass es sich um eine unzulässige Vereinbarung über den LVP handelt, wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Regelung über den LVP eine Bedingung vorsieht („Der LVP von mindestens EUR 0,89 wird nicht unterschritten, solange die wesentlichen Wettbewerber X und Y sich an die UVP halten.“).

Oft verkannt wird, dass eine Einigung oder Abstimmung über den Wiederverkaufspreis auch ohne Druckausübung oder Anreizen kartellrechtswidrig ist. Vom Verbotstatbestand erfasst sind nämlich auch Vereinbarungen oder Abstimmungen, die auf einem gleichgerichteten Interesse beider Beteiligten beruhen. Häufig wird es dabei so sein, dass der Händler eine Verpflichtung zu einer bestimmten Gestaltung des LVP in der (unausgesprochenen) Erwartung eingeht, der Hersteller werde auch die konkurrierenden Händler zu entsprechenden Zusagen bewegen und damit für eine marktweite Preisanhebung sorgen.

Vielfach wird allerdings Druck eingesetzt oder werden Anreize gewährt, um den Händler zum Abschluss der Vereinbarung oder ihrer Einhaltung zu bewegen. Unzulässig ist dabei jedenfalls jede Drohung des Herstellers mit Nichtbelieferung oder Liefereinschränkungen, falls die UVP unterschritten wird. Ebenso kartellrechtswidrig ist das Inaussichtstellen einer Konditionenverbesserung, wenn der Händler die geforderte Einhaltung der UVP zusagt.

Preisempfehlungen müssen unverbindlich sein

Das Aussprechen von UVP durch den Hersteller ist erlaubt, solange diese tatsächlich sowohl unverbindlich als auch Empfehlungen sind. Im Ausgangspunkt handelt es sich um nicht weiter als eine Meinungskundgabe des Herstellers darüber, welchen LVP er für das von ihm gelieferte Produkt als sinnvoll erachtet. Eine solche Meinung darf auch erläutert werden, solange dadurch die Unverbindlichkeit der Empfehlung nicht in Frage gestellt wird oder dem Händler nicht Zusatzinformationen – insbesondere über das geplante Preissetzungsverhalten konkurrierender Händler – geliefert werden, die darauf abzielen, seine Entscheidung in Richtung der Einhaltung der UVP wettbewerbswidrig zu beeinflussen.

Insbesondere Kalkulationshilfen im Sinne einer hypothetischen Berechnung der Margeneffekte, die keinen Rückschluss auf die Preissetzungsentscheidungen konkurrierender Händler ermöglichen, sind etwa zulässig. Bewegt sich der Hersteller in diesem Rahmen, so darf der Händler der UVP folgen, ohne dass dies bereits eine Vereinbarung oder eine Verhaltensabstimmung über den LVP begründen würde.

Gestaltungsmöglichkeiten

Der Gitarrenhersteller reagierte auf die Ermittlungen des Bundeskartellamtes zu spät, aber immerhin souverän und versandte eine aktualisierte Preisliste an seine in Deutschland tätigen Händler, in der die Preise deutlich als UVP gekennzeichnet waren. Darüber hinaus hat das Unternehmen gegenüber den Händlern in einem Rundschreiben schriftlich klargestellt, dass die Festlegung der Verkaufspreise allein Händlersache sei und man keinen Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen werde.

Um die damit verbundene negative Berichterstattung und, mehr noch, den negativen Eindruck bei Händlern und Endkunden zu verhindern, wäre es sicher besser gewesen, den Kartellrechtsverstoß mit zielgerichteten und kartellrechtskonformen Lösungen und Mitarbeiterschulungen von vorneherein zu vermeiden – das Kartellrechtsteam von Spieker & Jaeger erarbeitet mit Ihnen solche Lösungen und vermittelt den Vertriebsmitarbeitern praxisnahe Problemkonstellationen und intuitive Handlungsmöglichkeiten.

  • Prof. Dr. Thomas Thiede, LL.M.

    • Rechtsanwalt
    • Deutsches und europäisches Kartellrecht / Fusionskontrolle
    • Honorarprofessor der Karl-Franzens-Universität Graz