Sorgfaltspflichten in Lieferketten

Das am 11.06.2021 vom Bundestag verabschiedete Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet in Deutschland ansässige Unternehmen mit einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, ihrer Verantwortung in der Wertschöpfungskette nachzukommen. Unternehmen müssen zukünftig prüfen, ob sich ihre Aktivitäten nachteilig auf Menschenrechte auswirken und angemessene Maßnahmen zur Prävention oder Abhilfe bei Verletzungen von Menschenrechten ergreifen. Das LkSG definiert dabei, welche Pflichten Unternehmen beim Schutz von Menschenrechten haben und wie Unternehmen diesen in ihrer Lieferkette nachzukommen haben.

Hintergründe

Am 11. September 2012 brannte in Karachi, Pakistan, eine Textilfabrik; dabei wurde das Hauptge­bäude der Fabrik nahezu vollständig zerstört. Nach Augenzeugenberichten brach der Brand im Erdgeschoss der Fabrik aus, wo in Kunststoff verpackte Stoffballen Feuer fin­gen. Mangels gesonderter Feuermelder in diesem Lager wurde der Brand erst bemerkt, als die Stoffballen die hölzerne Zwischendecke zum darüber befindlichen Geschoss ebenfalls in Brand gesetzt hatten. Zum Zeitpunkt des Brandes befanden sich nahezu 1.000 Menschen in der Fabrik; nach offiziellen Angaben forderte der Brand mindestens 260 Tote sowie zahlrei­che Verletzte. Diese sehr hohe Zahl an Toten und Verletzten war insbesondere darauf zurückzu­führen, dass sich das Feuer aufgrund der baulichen Mängel sehr schnell ausbreitete und es an Sicherheitsmaßnahmen fehlte, so etwa an Notausgängen und Fluchttreppen. Über­dies waren die vorhandenen Fenster massiv vergittert und es mangelte auch an einer adäqua­ten Brandbekämpfungsausrüstung.

Die pakistanische Fabrik produzierte seit 2007 in wohl erheblichem Umfang für eine deut­sche Textilhändlerin. Nach deren Eigendarstellung betreibt diese Textilhändlerin mehr als 3.000 Filialen in 8 europäischen Ländern; sie gilt als „die Billigkette“ unter den Bekleidungshändlern. Die Produktion erfolgt dabei durch Zulieferbetriebe weltweit, insbesondere jedoch in China, Bangladesch und Pakistan. Geschäftsbeziehungen zu den ausländischen Zuliefererbetrieben werden dabei zunächst durch eine Mittelsfirma hergestellt; im weiteren Verlauf der Geschäftsbe­ziehungen werden sodann üblicherweise direkte vertragliche Beziehungen mit den jeweiligen Zuliefererbetrieben aufgenommen.

Die deutsche Textilhändlerin wurde von Überlebenden und Hinterbliebenen des Un­glücksfalles in Pakistan vor dem Landgericht Dortmund (Urt. v. 10.01.2019, 7 O 95/19) in Anspruch genommen. Die hiesige Kammer war nach Art. 4 Brüssel Ia-Verordnung als Gericht am Sitz der deutschen Textilhändlerin international zuständig. Dass jener der Klage zugrunde liegende Sachverhalt außerhalb Europas spielt, war für die Anwendbarkeit der Brüssel Ia-Verordnung unerheb­lich: Es genügt für die Anwendbarkeit der Verordnung jeder Auslandsbezug auch zu einem beliebigen Drittstaat, wobei dieser auch außerhalb der Europäischen Union belegen sein kann. Da die pakistanischen Kläger Ansprüche aus unerlaub­ten Handlungen geltend machten, richtete sich die Bestimmung des anwendba­ren Rechts nach der Rom II-Verordnung. Die Rom II-Verordnung sieht in Art. 4 Abs. 1 vor, dass bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Da der Schadenseintrittsort unzweifelhaft in Pakistan lag, war daher pakistanisches Recht anzuwenden.

Im Verfahren selbst gab ein Gutachter Auskunft zum pakistanischen Recht und hielt fest, dass die Ansprüche der Hinterbliebenen und Geschädigten schlicht verjährt waren – die pakistanischen Arbeiter gingen leer aus, obgleich sich die deutsche Textilherstellerin in ihrem Code of Conduct des Schutzes der Menschenrechte auch bei Zulieferbetrieben rühmte.

Gesetzgeberische Reaktion

Das vorbeschriebene Beispiel ist nur eines von vielen, sodass es sowohl international auch national im vergangenen Jahrzehnt erhebliche Bemühungen gab, die Lage der Arbeiter in ausländischen Herstellungsorten zu verbessern und schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden: Mit dem UN Global Compact erfolgte etwa ein erster, unverbindlicher Versuch verantwortungsvolle Unternehmensführung zu gestalten. Die Vereinten Nationen haben auf der Grundlage des UN Global Compact die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) entwickelt, die ursprünglich weltweit in Form von nationalen Aktionsplänen (NAP) umgesetzt werden sollten.

Die Bundesregierung befürwortete zunächst die freiwillige Umsetzung der NAP, legte aber bereits im Koalitionsvertrag 2018 fest, dass im Falle eines Scheiterns der freiwilligen Umsetzung verbindliche, gesetzliche Regelungen eingeführt werden sollten. Besagtes Scheitern wurde zwischenzeitlich festgestellt und entsprechende Gesetzesentwürfe erarbeitet. Der Referentenentwurf wurde dem Kabinett im März 2021 zur Beschlussfassung vorgelegt und nach bewilligten Änderungsanträgen durch den Ausschuss für Arbeit und Soziales wurde der Referentenentwurf in der geänderten Fassung am 11. Juni 2021 vom Bundestag als Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verabschiedet.

Wesentliche Regelungen

Das LkSG gilt ab dem 01.01.2023 zunächst für in Deutschland ansässige Unternehmen und für ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung oder Tochterunternehmen in Deutschland, die mehr als 3.000 Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen. Ab 01.01.2024 gilt das Gesetz dann für alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern.

Nach der gesetzgeberischen Konzeption umfasst der Begriff der „Lieferkette“ alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens, d.h. alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu der Lieferung an den Endkunden und er erfasst das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich, das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers und das Handeln eines mittelbaren Zulieferers.

Schutzziele

Das Gesetz legt den Unternehmen Sorgfaltspflichtenin Ansehung der gesamten Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt – auf. Diese Sorgfaltspflichten betreffen zunächst menschenrechtliche Risiken. Im Sinne des LkSG handelt es sich bei diesen Risiken um einen tatsächlichen Zustand, bei dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen eines der folgenden Verbote droht:

  • Verbot der Beschäftigung eines Kindes unter dem Alter, mit dem nach dem Recht des Beschäftigungsortes die Schulpflicht endet, wobei das Beschäftigungsalter 15 Jahre nicht unterschreiten darf; Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit für Kinder unter 18 Jahren;
  • Verbot der Beschäftigung von Personen in Zwangsarbeit; dies umfasst jede Arbeitsleistung oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung von Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat, etwa in Folge von Schuldknechtschaft oder Menschenhandel;
  • Verbot aller Formen der Sklaverei, sklavenähnlicher Praktiken, Leibeigenschaft oder anderer Formen von Herrschaftsausübung oder Unterdrückung im Umfeld der Arbeitsstätte, etwa durch extreme wirtschaftliche oder sexuelle Ausbeutung und Erniedrigungen;
  • Verbot der Missachtung der nach dem Recht des Beschäftigungsortes geltenden Pflichten des Arbeitsschutzes, wenn hierdurch die Gefahr von Unfällen bei der Arbeit oder arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren entstehen;
  • Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit, nach der Arbeitnehmer sich frei zu Gewerkschaften zusammenzuschließen oder diesen beitreten können, die Gründung, der Beitritt und die Mitgliedschaft zu einer Gewerkschaft dürfen nicht als Grund für ungerechtfertigte Diskriminierungen oder Vergeltungsmaßnahmen genutzt werden; dies umfasst auch das Streikrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen;
  • Verbot der Ungleichbehandlung in Beschäftigung, etwa aufgrund von nationaler und ethnischer Abstammung, sozialer Herkunft, Gesundheitsstatus, Behinderung, sexueller Orientierung, Alter, Geschlecht, politischer Meinung, Religion oder Weltanschauung, sofern diese nicht in den Erfordernissen der Beschäftigung begründet ist; eine Ungleichbehandlung umfasst insbesondere die Zahlung ungleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit;
  • Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns; der angemessene Lohn ist mindestens der nach dem anwendbaren Recht festgelegte Mindestlohn und bemisst sich ansonsten nach dem Recht des Beschäftigungsortes;
  • Verbot der Herbeiführung einer schädlichen Bodenveränderung, Gewässerverunreinigung, Luftverunreinigung, schädlichen Lärmemissionen oder eines übermäßigen Wasserverbrauchs;
  • Verbot der widerrechtlichen Zwangsräumung und das Verbot des widerrechtlichen Entzugs von Land, von Wäldern und Gewässern bei dem Erwerb, der Bebauung oder anderweitigen Nutzung von Land, Wäldern und Gewässern, deren Nutzung die Lebensgrundlage einer Person sichert;
  • Verbot der Beauftragung oder Nutzung privater oder öffentlicher Sicherheitskräfte zum Schutz eines unternehmerischen Projekts, wenn aufgrund mangelnder Unterweisung oder Kontrolle seitens des Unternehmens bei dem Einsatz der Sicherheitskräfte das Verbot von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung missachtet wird, Leib oder Leben verletzt werden oder die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit beeinträchtigt werden.

Neben den vorbenannten menschenrechtlichen Risiken werden sodann umweltbezogene Risiken ausdrücklich erfasst und als Zustand definiert, bei dem aufgrund tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen eines der folgenden Verbote droht:

  • das Verbot der Herstellung von mit Quecksilber versetzten Produkten; das Verbot der Verwendung von Quecksilber und Quecksilberverbindungen bei Herstellungsprozessen; das Verbot der Behandlung von Quecksilberabfällen;
  • das Verbot der Produktion und Verwendung von Chemikalien mit persistenten organischen Schadstoffen;
  • das Verbot der nicht umweltgerechten Handhabung, Sammlung, Lagerung und Entsorgung von Abfällen; das Verbot der Ein- und Ausfuhr gefährlicher Abfälle.

Anforderungen an die Unternehmen

Im eigenen Geschäftsbereich und dem Geschäftsbereich unmittelbarer Zulieferer haben Unternehmen folgende Pflichten zu erfüllen:

Abgabe einer Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie

Die Grundsatzerklärung muss mindestens Ausführungen

  • zur Menschenrechtsstrategie des Unternehmens;
  • die Beschreibung des Verfahrens, mit dem das Unternehmen seinen Pflichten nach dem LkSG nachkommt;
  • die für das Unternehmen festgestellten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken;
  • die auf Grundlage der Risikoanalyse erfolgte Festlegung der menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen, die das Unternehmen an seine Beschäftigten und Zulieferer in der Lieferkette richtet,

enthalten.

Pflicht zum Risikomanagement

Unternehmen müssen ein angemessenes und wirksames Risikomanagement zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten einrichten. Das Risikomanagement ist dabei in allen maßgeblichen Geschäftsabläufen durch angemessene Maßnahmen zu verankern.

Als wirksam beschreibt das LkSG solche Maßnahmen, die es ermöglichen, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu erkennen und zu minimieren sowie Verletzungen menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten zu verhindern, zu beenden oder deren Ausmaß zu minimieren. Im Rahmen des Risikomanagements habe das Unternehmen dafür zu sorgen, dass festgelegt sei, wer innerhalb des Unternehmens dafür zuständig ist, das Risikomanagement zu überwachen, etwa durch die Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten. Die Geschäftsleitung habe sich zudem regelmäßig, mindestens jedoch einmal jährlich, über die Arbeit der zuständigen Personen zu informieren.

Pflicht zur Risikoanalyse

Im Rahmen des Risikomanagements hat das Unternehmen eine angemessene Risikoanalyse durchzuführen, um die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei seinen unmittelbaren Zulieferern zu ermitteln. Die ermittelten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken sind angemessen zu gewichten und zu priorisieren. Das Unternehmen muss dafür Sorge tragen, dass die Ergebnisse der Risikoanalyse intern an die maßgeblichen Entscheidungsträger, etwa an den Vorstand oder an die Einkaufsabteilung, kommuniziert werden. Diese Risikoanalyse ist einmal im Jahr sowie anlassbezogen durchzuführen.

Präventionsmaßnahmen

Stellt ein Unternehmen im Rahmen einer Risikoanalyse ein Risiko fest, hat es unverzüglich angemessene Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Im LkSG werden regelbeispielhaft folgende Präventionsmaßnahmen als angeführt:

  • Umsetzung der in der Grundsatzerklärung dargelegten Menschenrechtsstrategie in den relevanten Geschäftsabläufen;
  • Entwicklung und Implementierung geeigneter Beschaffungsstrategien und Einkaufspraktiken, durch die festgestellte Risiken verhindert oder minimiert werden;
  • Durchführung von Schulungen in den relevanten Geschäftsbereichen;
  • Durchführung risikobasierter Kontrollmaßnahmen, mit denen die Einhaltung der in der Grundsatzerklärung enthaltenen Menschenrechtsstrategie im eigenen Geschäftsbereich überprüft wird.

Diese angemessenen Präventionsmaßnahmen müssen insbesondere im Verhältnis zu unmittelbaren Zulieferern verankern werden. Ausweislich des LkSG kann dies durch

  • Berücksichtigung der menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen bei der Auswahl eines unmittelbaren Zulieferers;
  • vertragliche Zusicherung eines unmittelbaren Zulieferers, dass dieser die von der Geschäftsleitung des Unternehmens verlangten menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen einhält und entlang der Lieferkette angemessen adressiert;
  • Durchführung von Schulungen und Weiterbildungen zur Durchsetzung der vertraglichen Zusicherungen des unmittelbaren Zulieferers;
  • Vereinbarung angemessener vertraglicher Kontrollmechanismen sowie deren risikobasierte Durchführung, um die Einhaltung der Menschenrechtsstrategie bei dem unmittelbaren Zulieferer zu überprüfen,

erfolgen.

Die Wirksamkeit der Präventionsmaßnahmen ist einmal im Jahr sowie anlassbezogen zu überprüfen und entsprechende Maßnahmen sind gegebenenfalls zu aktualisieren.

Abhilfemaßnahmen

Stellt das Unternehmen fest, dass die Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht in seinem eigenen Geschäftsbereich oder bei einem unmittelbaren Zulieferer bereits eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht, hat es unverzüglich angemessene Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, um diese Verletzung zu verhindern, zu beenden oder das Ausmaß der Verletzung zu minimieren.

Ist die Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht bei einem unmittelbaren Zulieferer so beschaffen, dass das Unternehmen sie nicht in absehbarer Zeit beenden kann, muss das Unternehmen ein konkretes Konzept zur Beendigung oder Minimierung nebst entsprechendem Zeitplan erstellen und umsetzen.

Der Gesetzgeber empfiehlt dabei die Umsetzung folgender Maßnahmen:

  • Gemeinsame Erarbeitung und Umsetzung eines Plans zur Beendigung oder Minimierung der Verletzung mit dem Unternehmen, durch das die Verletzung verursacht wird;
  • Zusammenschluss mit anderen Unternehmen im Rahmen von Brancheninitiativen und Branchenstandards, um die Einflussmöglichkeit auf den Verursacher zu erhöhen;
  • temporäres Aussetzen der Geschäftsbeziehung während der Bemühungen zur Risikominimierung.

Der Abbruch einer Geschäftsbeziehung sei nur dann geboten, wenn

  • die Verletzung einer geschützten Rechtsposition oder einer umweltbezogenen Pflicht als sehr schwerwiegend bewertet wird;
  • die Umsetzung der im Konzept erarbeiteten Maßnahmen nach Ablauf der im Konzept festgelegten Zeit keine Abhilfe bewirkt;
  • dem Unternehmen keine anderen milderen Mittel zur Verfügung stehen und eine Erhöhung des Einflussvermögens nicht aussichtsreich erscheint.

Die Wirksamkeit der Abhilfemaßnahmen ist einmal im Jahr sowie anlassbezogen zu überprüfen und die Maßnahmen sind bei Bedarf unverzüglich zu aktualisieren.

Beschwerdeverfahren

Das Unternehmen hat schließlich dafür zu sorgen, dass ein angemessenes unternehmensinternes Beschwerdeverfahren eingerichtet ist. Das Beschwerdeverfahren muss Personen ermöglichen, auf menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken sowie auf Verletzungen menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten hinzuweisen, die durch das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich oder eines unmittelbaren Zulieferers entstanden sind.

Der Eingang des Hinweises ist den Hinweisgebern zu bestätigen. Die von dem Unternehmen mit der Durchführung des Verfahrens betrauten Personen haben den Sachverhalt mit den Hinweisgebern zu erörtern. Sie können dabei ein Verfahren der einvernehmlichen Beilegung anbieten.

Das Beschwerdeverfahren hat verschiedene Kriterien, wie folgt, zu erfüllen:

  • Das Unternehmen legt eine Verfahrensordnung in Textform fest, die öffentlich zugänglich ist;
  • Die von dem Unternehmen mit der Durchführung des Verfahrens betrauten Personen müssen Gewähr für unparteiisches Handeln bieten, insbesondere müssen sie unabhängig und an Weisungen nicht gebunden sein. Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet;
  • Das Unternehmen muss in geeigneter Weise klare und verständliche Informationen zur Erreichbarkeit und Zuständigkeit und zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens öffentlich zugänglich machen;
  • Das Beschwerdeverfahren muss für potenzielle Beteiligte zugänglich sein, die Vertraulichkeit der Identität wahren und wirksamen Schutz vor Benachteiligung oder Bestrafung aufgrund einer Beschwerde gewährleisten.

Die Wirksamkeit des Beschwerdeverfahrens ist mindestens einmal im Jahr sowie anlassbezogen zu überprüfen.

Dokumentation und Berichterstattung

Die Erfüllung der vorbenannten Sorgfaltspflichten ist unternehmensintern fortlaufend zu dokumentieren. Die Dokumentation ist ab ihrer Erstellung mindestens sieben Jahre lang aufzubewahren. Zudem ist jährlich ein Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten im abgelaufenen Geschäftsjahr zu erstellen und spätestens vier Monate nach dem Schluss des Geschäftsjahrs auf der Internetseite des Unternehmens für einen Zeitraum von sieben Jahren kostenfrei öffentlich zugänglich zu machen.

In dem Bericht ist nachvollziehbar mindestens darzulegen,

  • ob und falls ja, welche menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken oder Verletzungen einer menschenrechtsbezogenen oder umweltbezogenen Pflicht das Unternehmen identifiziert hat;
  • was das Unternehmen, unter Bezugnahme auf die vorbenannten Maßnahmen, zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten unternommen hat;
  • wie das Unternehmen die Auswirkungen und die Wirksamkeit der Maßnahmen bewertet und
  • welche Schlussfolgerungen es aus der Bewertung für zukünftige Maßnahmen zieht.

Der Bericht ist zudem in deutscher Sprache und elektronisch über einen von der Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)  bereitgestellten Zugang spätestens vier Monate nach dem Schluss des Geschäftsjahres, auf das er sich bezieht, einzureichen. Das BAFA kann Nachbesserungen des Berichtes verlangen.

Mittelbare Zulieferer

Das Unternehmen muss das Beschwerdeverfahren so einrichten, dass es Personen auch ermöglicht, auf menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken sowie auf Verletzungen menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten hinzuweisen, die durch das wirtschaftliche Handeln eines mittelbaren Zulieferers entstanden sind.

Liegen einem Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die eine Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht bei mittelbaren Zulieferern möglich erscheinen lassen (substantiierte Kenntnis), so hat es anlassbezogen unverzüglich

  • eine Risikoanalyse durchzuführen;
  • angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher zu verankern, etwa die Durchführung von Kontrollmaßnahmen, die Unterstützung bei der Vorbeugung und Vermeidung eines Risikos oder die Umsetzung von branchenspezifischen oder branchenübergreifenden Initiativen, denen das Unternehmen beigetreten ist;
  • ein Konzept zur Verhinderung, Beendigung oder Minimierung zu erstellen und umzusetzen und
  • gegebenenfalls entsprechend seine Grundsatzerklärung zu aktualisieren.

Zivilrechtliche Haftung?

Eine Verletzung der Pflichten nach dem LkSG begründet als solche keine zivilrechtliche Haftung. Unabhängig davon bestehende Anspruchsgrundlagen, so etwa nach dem Deliktsrecht, bleiben jedoch unberührt. Die Gesetzesbegründung stellt jedoch klar, dass das LkSG kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt.

Effektive Durchsetzung und Sanktionen

Die effektive Durchsetzung des LkSG wird durch das BAFA sichergestellt. Das BAFA kann bei Verstößen gegen das Gesetz Bußgelder verhängen, die bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes des Konzerns (als wirtschaftliche Einheit) betragen können.

Bei schwerwiegenden Verstößen können Unternehmen bis zu drei Jahre von der öffentlichen Beschaffung ausgeschlossen werden. Jedoch begründet eine Verletzung der Pflichten des LkSG keine zivilrechtliche Haftung. Eine unabhängig von dem LkSG begründete zivilrechtliche Haftung, z.B. nach Deliktsrecht, bleibt unberührt.

Weitere Entwicklung

Die gesetzgeberische Entwicklung hat damit womöglich noch nicht ihr Ende gefunden. Auf europäischer Ebene soll eine Richtlinie über die Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen auf den Weg gebracht werden. Das Europäische Parlament hat am 10.03.2021 Empfehlungen für die Ausarbeitung einer solchen Richtlinie vorgelegt. Nach diesen Empfehlungen ist mit einer (weiteren) Verpflichtung von Unternehmen zur Risikoanalyse, Vorbeugung und Behebung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten – und entsprechender Haftung – zu rechnen.

Herr Dr. Thiede hat zum eingangs erwähnten Fall des Fabrikbrandes in Pakistan in englischen als auch deutschen Fachzeitschriften veröffentlicht (Picking the Piper, the Payment, and Tune – The Liability of Western Textile Retailers for the Torts of Suppliers Abroad, in: JProfNeg – Journal of Professional Negligence, London, Bloomsbury 2017, 25-40; Klagen clever kaufen! Zur Haftung einer deutschen Textilhändlerin für die Opfer eines Brandes in der Fabrik eines pakistanischen Zuliefererbetriebes, in: RIW – Recht der Internationalen Wirtschaft, Frankfurt am Main, Deutscher Fachverlag 2017, 263-272).


  • Prof. Dr. Thomas Thiede, LL.M.

    • Rechtsanwalt
    • Deutsches und europäisches Kartellrecht / Fusionskontrolle
    • Honorarprofessor der Karl-Franzens-Universität Graz