Worst Case: Arbeitgeberkündigung nur durch einen Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Zurückweisungsrecht des Arbeitnehmers

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) besteht aus mindestens zwei, häufig auch aus mehr als zwei Gesellschaftern. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass eine gegenüber einem in der GbR angestellten Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung nur durch einen und nach dem Gesellschaftsvertrag sogar allein vertretungsberechtigten Gesellschafter unterschrieben wird. In diesem Fall stellt sich die Frage der Wirksamkeit der Kündigung, wenn der Betroffene die Kündigung nach § 174 BGB zurückweist, weil ihr keine Originalvollmacht der anderen (aller) Gesellschafter beigefügt war. Mit dieser Frage befasste sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Entscheidung vom 05.12.2019, 2 AZR 147/19 – und beantwortete sie zu Lasten der Gesellschaft.

Der Fall: Die Klägerin war bei der beklagten GbR als Aushilfe beschäftigt. Der Gesellschafter A, der nach dem Gesellschaftsvertrag allein vertretungsberechtigt war, übergab der Klägerin am 09.11.2016 ein allein von ihm unterzeichnetes Schreiben, mit dem die GbR das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis kündigte. Mit Schreiben vom 14.11.2016 wies die Klägerin die Kündigung mangels Beifügung einer Vollmachtsurkunde des zweiten Gesellschafters B zurück. Die Klägerin hielt die ausgesprochene Kündigung nach § 174 BGB für unwirksam und erhob Klage zum Arbeitsgericht.

Die Entscheidung: Mit erstinstanzlichem Urteil wurde diese Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab der Klägerin im Berufungsverfahren indes recht. Die von der GbR eingelegte Revision blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Kündigung vom 09.11.1016 wurde für unwirksam erklärt. Der 2. Senat des BAG stellt fest, dass eine einseitige Willenserklärung, hier also die Kündigung, die auf Arbeitgeberseite für eine GbR in deren Namen abgegeben wird, nach der gesetzlichen Grundregel der §§ 709, 714 BGB grundsätzlich von allen Gesellschaftern ausgesprochen werden muss. Wird eine Kündigung durch einen abweichend von den §§ 709, 714 BGB alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter einer GbR ausgesprochen, kann der Gekündigte die Kündigung analog § 174 BGB zurückweisen, wenn der Kündigende die Vertretung des anderen Gesellschafters nicht durch Vorlage einer Originalvollmacht nachweist.

§ 174 BGB bestimmt, dass ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam ist, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht im Original vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen bereits zuvor von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

Das BAG führt aus, dass § 174 BGB zwar unmittelbar lediglich für das Handeln eines Vertreters aufgrund einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht Anwendung finde, aber entsprechend auf jene Fälle anzuwenden sei, „in denen einerseits für den Erklärungsempfänger eine vergleichbare Unsicherheit über die vom Vertreter in Anspruch genommene Vertretungsmacht besteht und andererseits die Vertretungsmacht auf einer Willensentscheidung des Vertretenen beruht, die von ihm gegenüber dem Erklärungsempfänger nachgewiesen werden kann.“ So finde § 174 BGB zwar keine analoge Anwendung auf gesetzliche oder organschaftliche Vertreter, jedoch auf „einseitige Rechtsgeschäfte, die ein abweichend von der gesetzlichen Grundregel der §§ 709, 714 BGB gemäß § 710 BGB allein vertretungsberechtigter Gesellschafter im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vornimmt.“ Diese analoge Anwendung rechtfertige sich zum einen daraus, dass beim Erklärungsempfänger – der Klägerin – in einem solchen Fall eine vergleichbare Unsicherheit über die vom handelnden Gesellschafter in Anspruch genommene Alleinvertretungsmacht wie im Fall der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) bestehe. „Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts können die Vertretungsverhältnisse anders als bei der ansonsten für die organschaftliche Vertretung grundsätzlich vorgeschriebene Eintragung des Vertreters als Organ in ein öffentliches Register, aus dem sich die Person des Organs und der Umfang seiner Vertretungsmacht ergibt, keinem öffentlichen Register entnommen werden, sondern ergeben sich aus einem keiner Publizität unterliegenden Gesellschaftsvertrag.“ Zum anderen sei durch eine analoge Anwendung des § 174 BGB auf solche Fälle auch keine „Beengung des Verkehrs“ zu befürchten. Die auf einer Willensentscheidung der Gesellschafter beruhende Alleinvertretungsmacht könne nämlich entweder durch Vorlage des Gesellschaftsvertrages oder durch eine Erklärung der anderen Gesellschafter über die Vertretungsbefugnis des Handelnden, die von der Grundregel der §§ 709, 714 BGB abweiche, zuvor (im Original) belegt werden. Werde der Gesellschaftsvertrag oder die Gesellschaftererklärung dem (späteren) Erklärungsempfänger einmal vorgelegt, müssten diese nicht vor jedem einseitigen Rechtsgeschäft erneut vorgelegt werden. Nach einem mehr als drei Jahre andauernden Verfahren steht für die GbR nunmehr rechtskräftig fest, dass sie der Klägerin über den gesamten Zeitraum rückständigen Lohn nachzahlen muss.

Handlungsempfehlung: Will eine GbR ein mit ihr bestehendes Arbeitsverhältnis rechtssicher kündigen und die Möglichkeit einer Zurückweisung nach § 174 BGB ausschließen, bestehen daher folgende Handlungsmöglichkeiten:

  1. Die schriftliche Kündigung wird von allen Gesellschaftern der GbR unterschrieben.
  2. Handelt nur ein Gesellschafter oder ein sonstiger Dritter, sollte der Kündigung entweder eine von allen Gesellschaftern unterschriebene Vollmachtsurkunde im Original beigefügt werden oder der Erklärungsempfänger vor dem Zugang der Erklärung von der entsprechenden Bevollmächtigung durch die Gesellschafter in Kenntnis gesetzt werden. Letzteres kann etwa durch Vorlage des Originals des Gesellschaftsvertrages erfolgen oder durch Vorlage des Originals einer Erklärung aller Gesellschafter über eine nach den §§ 709, 714 BGB abweichende Regelung der Vertretung der Gesellschaft. Kennt der Erklärungsempfänger also die Vertretung, muss diese nicht vor jedem folgenden einseitigen Rechtsgeschäft erneut nachgewiesen werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt Änderungen im Gesellschafterbestand oder in den Vertretungsverhältnissen ergeben haben.