Hinweis statt Haftung – Hinweispflichten am Bau

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte in zwei neueren Entscheidungen über Hinweispflichten im Rahmen von Bauvorhaben zu urteilen. In beiden Entscheidungen folgte das OLG Köln der bisherigen Rechtsprechung zu Hinweispflichten von Architekten und ausführenden Fachunternehmen im Rahmen eines Bauvorhabens. Die Entscheidungen zeigen einmal mehr, dass Hinweispflichten in der Baupraxis immer noch häufig übersehen werden – mit gravierenden und für die Beteiligten überraschenden Haftungsfolgen.

Haftung des Architekten

Im Rahmen eines Neubauvorhabens wurde ein Architekt von dem Bauherrn mit den Leistungsphasen 1 bis 4 damit beauftragt, 10 Doppelhaushälften zu planen. Dabei enthält die Leistungsphase 4 die Verpflichtung des Architekten zur Erstellung einer Genehmigungsplanung. Nachdem der Bauherr über den Architekten bei der zuständigen Genehmigungsbehörde unter Vorlage der Genehmigungsplanung eine Baugenehmigung für das neue Bauvorhaben beantragte, wies die Genehmigungsbehörde den Antrag auf Erlass einer Baugenehmigung wegen unzulässiger Abweichungen vom Bebauungsplan ab. Damit war das Bauvorhaben aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht mehr realisierbar. Der Bauherr verlangte sodann vom Architekten Schadensersatz in Form unnötiger Planungskosten.

Das OLG Köln ist dem Klageantrag gefolgt und hat dem Bauherrn den beantragten Schadensersatz zu gesprochen (B. v. 01.09.2021, 16 U 20/21). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen (B. v. 07.09.2022, VII ZR 849/21). Grundsätzlich schuldet der Architekt nach der Rechtsprechung eine genehmigungsfähige Planung, soweit er mit der Erstellung der Genehmigungsplanung beauftragt ist. Der Architektenvertrag ist dabei als Werkvertrag einzuordnen, sodass der Architekt einen sogenannten Werkerfolg schuldet. Werkerfolg im Rahmen der Genehmigungsplanung ist die Erteilung einer Baugenehmigung durch die zuständige Genehmigungsbehörde. Soweit die Baugenehmigung verweigert wird, verletzt der Architekt daher seine Pflicht zur Erstellung einer auf Dauer genehmigungsfähigen Planung.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Bauherr das Risiko der Genehmigungsfähigkeit der Planung vertraglich übernommen hat. Eine vertragliche Risikoübernahme setzt voraus, dass der Architekt den Bauherrn umfassend auf die bestehenden Risiken der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens hinweist und sich der Bauherr trotz dieser Belehrung auf eine derartige Risikoverlagerung zu seinem Nachteil einlässt. Dabei bildet die Kenntnis des Bauherrn über Genehmigungsrisiken allein keine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass der Bauherr das Risiko vertraglich übernommen hat. Es ist vielmehr ein klarer Hinweis des Architekten vor Abschluss des Architektenvertrages über die Genehmigungsrisiken erforderlich. Nicht zuletzt aus Beweisgründen empfiehlt es sich dabei für den Architekten, solche Hinweise schriftlich in den Architektenvertrag aufzunehmen. An solchen ausdrücklichen Hinweisen fehlte es in dem vom OLG Köln zu entscheidenden Sachverhalt, sodass der Architekt letztlich aus zutreffenden Gründen verurteilt wurde.

Haftung des Fachunternehmers

In einem weiteren Fall hatte das OLG Köln darüber zu entscheiden, ob das ausführende Fachunternehmen wegen einer unzureichenden Gebäudeabdichtung haftet, obwohl nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Leistungsbeschreibung eine Abdichtung gar nicht vorgesehen war. Das OLG Köln hat die geltend gemachten Gewährleistungsansprüche des Bauherrn bejaht (Urt. v. 02.02.2022, 11 U 44/21). Für das Gericht kam es dabei nicht darauf an, dass die Gebäudeabdichtung gar nicht Gegenstand des ausdrücklichen Leistungskatalogs und damit auch nicht Teil des vertraglich geschuldeten Bau-Solls auf Seiten des Fachunternehmers war. Von Bedeutung war vielmehr, dass nach der Rechtsprechung zum sogenannten funktionalen Mangel auch bei Einhaltung von vertraglichen Vereinbarungen ein Mangel vorliegen kann, wenn ein Werk nicht funktionstauglich ist (das Dach muss dicht sein; das Blockheizkraftwerk muss ausreichend heizen; die Bodenplatte eines Fertighauses muss dicht sein, um nur einige Beispiele aus der Rechtsprechung zu den Leitsätzen aus der Rechtsprechung zu nennen). Wird diese Funktionsfähigkeit nicht eingehalten, nimmt die Rechtsprechung einen Mangel und damit verbunden Gewährleistungsansprüche des Bauherrn an, wenn der Fachunternehmer den Bauherrn vor Vertragsabschluss nicht ausdrücklich auf die Risiken der vom Bauherrn geplanten Ausführung hinweist.

Die häufige Annahme auf Seiten des Fachunternehmers, dass sich das geschuldete Leistungs-Soll ausschließlich nach dem Leistungsverzeichnis richtet, ist insofern ein nicht selten gravierendes Missverständnis, das zu weitreichenden Gewährleistungsansprüchen des Bauherrn führen kann. Da der Fachunternehmer für die Einhaltung von Hinweispflichten darlegungs- und beweisbelastet ist, empfiehlt es sich auch in diesem Zusammenhang, solche Hinweise schriftlich in den Werkvertrag aufzunehmen.

Bei der Vertragsgestaltung zur Vermeidung von Haftungsfällen, aber auch bei der Durchsetzung und Abwehr von Gewährleistungsansprüchen unter anderem im Zusammenhang mit Fragen der Hinweispflichtverletzung stehen die im Baurecht tätigen Anwälte von SPIEKER & JAEGER gern zur Verfügung.

  • Jens Ewelt

    • Rechtsanwalt
    • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
    • Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht