Gesellschafterversammlung vs. Versammlungsverbot – Gremienarbeit in Zeiten der Quarantäne

Weltweit stehen Menschen unter Quarantäne oder sind zumindest dazu aufgefordert, sämtliche nicht zwingend notwendigen sozialen Kontakte zu vermeiden. Für die Gremien in unternehmerischen Gesellschaften (z.B. GmbH-Gesellschafterversammlung) entsteht hierdurch ein Spannungsfeld. Können nämlich einerseits gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten anstehende unternehmerische Entscheidungen kaum aufgeschoben werden, droht dem Unternehmen andererseits erheblicher Schaden, wenn sämtliche Entscheidungsträger in einem Raum zusammenkommen und diese Entscheidungsträger in der Folge erkranken oder die gesamte Belegschaft unter Quarantäne gestellt wird.

Die Gesellschafterversammlung der GmbH ist deren oberstes Organ und damit grundsätzlich für die wesentlichen Entscheidungen der GmbH zuständig. Das GmbH-Gesetz (GmbHG) regelt in § 48 Abs. 1, dass die Beschlüsse der Gesellschafter in Versammlungen gefasst werden. Versammlung in diesem Sinne ist die körperliche Zusammenkunft der Gesellschafter an einem Ort. Das GmbH-Gesetz regelt darüber hinaus in § 48 Abs. 2, dass es einer Versammlung nicht bedarf, wenn sich sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklären. Sieht die Satzung einer GmbH keine abweichende Regelung vor, können Beschlüsse rechtswirksam grundsätzlich nur auf die genannte Art zustande kommen.

Hinweis:
Bei Redaktionsschluss lag die Formulierungshilfe der Bundesregierung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ vor. Für einen Übergangszeitraum bis zum 31.12.2020 sollen danach abweichend von § 48 Absatz 2 GmbHG Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden können. Wie das Gesetz letztlich genau lauten wird, ist bislang nicht bekannt. Die derzeitige Formulierung führt allerdings absehbar zu Problemen, wenn die Satzung einer GmbH Regelungen enthält. Denn § 48 GmbHG findet gem. § 45 Abs. 2 GmbHG nur bei Fehlen besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages Anwendung.

Bereits in Zeiten vor dem SARS-CoV-2-Virus wurde in der Rechtswissenschaft darüber gestritten, ob auch andere Arten der Beschlussfassung zulässig sind, die nicht durch § 48 GmbHG gedeckt sind. Bundesgerichtshof (BGH) und die herrschende Meinung in der Literatur gehen davon aus, dass abweichende Arten der Beschlussfassung ohne eine Satzungsgrundlage unzulässig sind. Dies betrifft mündliche Beschlussfassungen ebenso, wie telefonische oder solche in Videokonferenzen. Auch sog. kombinierte Beschlussfassungen, bei denen ein Teil der Gesellschafter anwesend ist und die anderen nur hinzugeschaltet sind, sind danach unzulässig.

Zulässig ist nach dieser herrschenden Meinung allerdings eine Beschlussfassung, bei der die „Versammlung“ zwar nicht bei körperlicher Anwesenheit der Gesellschafter stattfindet, das Abstimmungsergebnis jedoch schriftlich festgehalten und von allen Gesellschaftern unterzeichnet wird.

Es liegt auf der Hand, dass dieses Prozedere dann zu Schwierigkeiten führt, wenn Uneinigkeit über Beschlussinhalte bzw. Beschlussgegenstände herrscht und ein Gesellschafter – bei einer drohenden Abstimmungsniederlage – nicht nur inhaltlich gegen einen Beschlussvorschlag stimmt, sondern der schriftlichen Abstimmung insgesamt aus taktischen Gründen widerspricht.

Eine Lösung dieses Problems könnte die allgemein anerkannte Treuepflicht des Gesellschafters bieten. So hat die Rechtsprechung schon häufig in Einzelfällen unter Verweis auf diese Treuepflicht positive Stimmpflichten erkannt und ein gegenteiliges Abstimmungsverhalten eines Gesellschafters als unerheblich verworfen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung auch in der momentanen Ausnahmesituation jedenfalls im Hinblick auf die Frage, ob alternative Versammlungswege mit nachfolgender schriftlicher Abstimmung hinzunehmen sind, die gesellschafterliche Treuepflicht heranzieht; auf die Entwicklung in der Rechtsprechung wird man insoweit gespannt warten dürfen.

Wollen Gesellschafter diesen Weg gehen und gibt es „Quertreiber“, ist in jedem Fall zu empfehlen, die „Versammlung“ so gut es geht einer solchen mit körperlicher Anwesenheit nachzubilden, z.B. durch die Abhaltung von Videokonferenzen, so dass sich der verweigernde Gesellschafter danach nicht darauf berufen kann, dass sein Teilnahme- und Äußerungsrecht in irgendeiner Form beschnitten wurde.

Ganz unabhängig davon wird sich künftig natürlich die Frage stellen, ob nicht direkt – grundsätzlich zulässige – Satzungsregelungen aufgenommen werden sollten, die alternative Beschlussfassungswege für Sondersituationen vorsehen.

  • Kay U. Koeppen, LL.M.

    • Rechtsanwalt
    • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
    • Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht