COVID-19: Fragen und Antworten zum Arbeits- und Vertragsrecht

Täglich erreichen uns neue Zahlen und der Corona-Virus breitet sich in Europa aber auch in der Region rasant aus. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind ebenso wie Arbeitgeber verunsichert und stellen Fragen für den Fall der Fälle. Zu den immer wieder auftauchenden Fragestellungen lesen Sie hier die Antworten.

Darf ein Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn er Angst vor einer Ansteckung hat?

Nein. Die Verpflichtung zur Arbeit folgt aus dem Arbeitsvertrag. Grundsätzlich darf ein Arbeitnehmer die Arbeit nicht verweigern, nur weil er auf dem Weg zur Arbeit oder dort eine Ansteckungsgefahr befürchtet. Im Grundsatz gilt: Ohne Arbeit kein Lohn. Nur wer tatsächlich erkrankt, darf zu Hause bleiben und erhält für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zu 6 Wochen sein Entgelt weiter.

Es obliegt dem Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht, einzelne Arbeitnehmer im Fall einer konkreten Gefährdung von der Pflicht zur Erfüllung der Arbeitsleistung freizustellen.

Verliert ein Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch, wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb aus Vorsorge oder aus wirtschaftlichen Gründen schließt, etwa weil aus China für die Produktion benötigte Teile nicht geliefert werden oder anderweitige Lieferengpässe bestehen? Kann der Arbeitgeber Zwangsurlaub anordnen?

Nein. Dem Arbeitgeber obliegt das Betriebsrisiko allein. Schließt der Arbeitgeber den Betrieb vorübergehend und sind die in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitswillig, behalten sie ihren Entgeltanspruch.

Zwangsurlaub kann der Arbeitgeber in diesem Fall nicht anordnen.
Für den Arbeitgeber besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 96 SGB III die Möglichkeit, bei der Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld zu beantragen und dadurch eine vorübergehende finanzielle Entlastung zu erhalten. Der Gesetzgeber hat im Eilverfahren die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld gelockert. Gerade bei zwingenden Produktionseinschränkungen infolge nicht gelieferter Rohstoffe oder fehlender Teile oder dem Wegbrechen von Kunden kommt die sogenannte konjunkturelle Kurzarbeit in Betracht. Erheblicher Arbeitsausfall oder das sogenannte „unabwendbare Ereignis“ rechtfertigen Kurzarbeit. Die Möglichkeit der Anordnung von Kurzarbeit muss allerdings entweder im Arbeitsvertrag selbst, einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung vereinbart sein. Eine einseitige Anordnung von Kurzarbeit ist unzulässig. Im Einzelfall beraten wir Sie hierzu gerne.

Besteht ein Arbeitszeitkonto, können Plusstunden abgebaut und ggf. auch Minusstunden aufgebaut werden. Zudem kommt die Möglichkeit der Urlaubsgewährung in Betracht.

Behält der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch, wenn der Betrieb durch eine behördliche Anordnung unter Quarantäne gestellt wird?

Ja, jedenfalls bis zu 6 Wochen. Auch bei dieser Frage ist zwar das Betriebsrisiko betroffen. Die allgemeine konkrete Gefahrenlage gehört aber nicht in die besondere Zuordnung des dem Betrieb innewohnenden Risikos. Zum Betriebsrisiko zählen alle Umstände, die die Annahme der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer und deren Annahme aus Gründen betreffen, die ihre Ursache im betrieblichen Bereich haben. Es ist auch unerheblich, wer eine Betriebsstörung verursacht hat. Bei Kriegen oder Epidemien fehlt aber nach herrschender Ansicht ein Zusammenhang zwischen der Betroffenheit und dem Betrieb.

Allerdings haben die Arbeitnehmer aufgrund der behördlichen Anordnung der Schließung einen Anspruch auf Zahlung des Gehalts in voller Höhe, das der Arbeitgeber als Zahlstelle für die anordnende Behörde gem. § 56 Abs. 5 IfSG auszahlt. Der Arbeitgeber erhält auf seinen Antrag hin eine Erstattung.

Nach Ablauf von 6 Wochen wird die Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers aber aus den zuvor dargestellten Gründen entfallen.

Bekomme ich weiterhin Gehalt, wenn ich selbst als Betroffener unter Quarantäne gestellt werde?

Ja. Bei einem konkreten Infektionsverdacht wird die zuständige Behörde entweder eine Quarantäne oder ein Tätigkeitsverbot nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) aussprechen. Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können. Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Die an betroffene Arbeitnehmer gezahlte Vergütung bekommt der Arbeitgeber, der in den ersten 6 Wochen als Zahlstelle zur Auszahlung zuständig ist, auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet (§ 56 Abs. 5 IfSG). Vom Beginn der siebenten Woche an wird die Vergütung in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 SGB V von der die Quarantäne anordnende Behörde unmittelbar gezahlt.

Bus und Bahnen fallen aus. Besteht gleichwohl Arbeitspflicht?

Ja. Der Arbeitnehmer trägt das sogenannte Wegerisiko. Er trägt somit auch das Risiko, aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen nicht in der Lage zu sein, den Ort zu erreichen, an dem er seine Arbeitsleistung zu erbringen hat. Kann der Arbeitnehmer daher etwa auf Grund des Ausfalls öffentlicher Verkehrsmittel den Arbeitsplatz nicht erreichen, weil diese wegen einer behördlichen Anordnung nicht fahren, so handelt es sich hierbei nicht um ein sich realisierendes Betriebsrisiko des Arbeitgebers mit der Folge, dass dieser gleichwohl den Lohn zu zahlen hätte. Stattdessen realisiert sich das allgemeine Wegerisiko des Arbeitnehmers mit der Folge, dass eine Entgeltfortzahlung nicht in Betracht kommt. Es gilt letztlich dasselbe, wie wenn öffentliche Verkehrsmittel aufgrund von Witterungsbedingungen ausfallen.

Darf ich meine Arbeit von zu Hause aus erbringen?

Grundsätzlich nein. Der Arbeitsort wird im Arbeitsvertrag vereinbart. Das wird regelmäßig der Betrieb oder das Unternehmen des Arbeitgebers sein. Arbeitnehmer können hiervon nicht einseitig abweichen. Nur wenn im Arbeitsvertrag eine Home-Office-Regelung enthalten ist oder im Krisenfall eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber geschlossen wird, kommt die Arbeit von zu Hause aus in Betracht.

Die Kindertagesstätte oder die Schule schließt. Bleibt der Entgeltanspruch bestehen, wenn der Arbeitnehmer zu Hause die Betreuung der Kinder übernimmt?

Das kommt darauf an. Zunächst ist festzustellen, dass Arbeitnehmer zu Hause bleiben können, wenn zu Hause aufgrund einer Schul- oder Kitaschließung die Betreuung eines bis zu 12 jährigen Kindes ohne das Zuhausebleiben nicht sichergestellt ist. Aus § 275 ABS. 3 BGB folgt insoweit ein sogenanntes Leistungsverweigerungsrecht. Das gilt jedenfalls für einen Elternteil, nicht für beide, und setzt auch voraus, dass die Kundenbetreuung nicht anderweitig geregelt werden kann, etwa durch noch nicht betagte Großeltern junger Eltern. Der Arbeitnehmer muss das darlegen können.

Ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht bei einem solchen Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aus persönlichen Verhinderungsgründen nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen. Die gesetzliche Regelung dazu findet sich in § 616 BGB. Dort ist geregelt, dass der Vergütungsanspruch bestehen bleibt, wenn die Verhinderung nur eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit andauert. Diese Regelung kann im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden.

Die Schulschließungen lassen allerdings einen Betreuungsbedarf entstehen, der mehrere Wochen anhalten kann und zum Teil auch schon für mehrere Wochen angeordnet ist. Man wird kaum annehmen können, dass mehrere Wochen noch „eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ sind und somit über § 616 BGB ein Vergütungsanspruch über mehrere Wochen hinweg bestehen bleibt. Begründet wird das von der herrschenden Ansicht mit dem Gesetzestext selbst. Der Entgeltanspruch besteht nur, wenn (und nicht soweit) der Arbeitnehmer vorübergehend verhindert ist.

Die Stimmen, die entgegen dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung für wenige Tage (meinst 3-5 Tage) eine Zahlungspflicht des Arbeitgebers annehmen, nehmen unter Berücksichtigung der prekären Situation allerdings zu. Insoweit ist aber der Gesetzgeber gefordert, eine Klarstellung herbeizuführen.

Statt und neben einem möglichen Anspruch aus § 616 BGB besteht für Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB V ein Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, sie mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind, das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet und keine andere Person im Haushalt lebt, die eine Betreuung, Pflege oder Beaufsichtigung sicherstellen kann.

Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer in diesem Fall unbezahlt von dessen Arbeitspflicht freistellen. Der Anspruch besteht für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage im Jahr, bei Alleinerziehenden erhöht sich der Anspruch auf 20 Arbeitstage im Jahr pro Kind. Insgesamt ist der Anspruch unabhängig von der Anzahl der Kinder auf 25 Arbeitstage bzw. 50 Arbeitstage bei Alleinerziehenden begrenzt. Eine vorangegangene bezahlte Freistellung für die Pflege des Kindes nach § 616 BGB wird auf den Krankengeldanspruch angerechnet.

Den Freistellungsanspruch haben auch Arbeitnehmer, die nicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind. Es entfällt aber der Anspruch auf Zahlung von Krankengeld.

Der Freistellungsanspruch nach § 45 SGB V kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden.

Kann der vom Arbeitgeber bewilligte Urlaub „zurückgegeben“ werden, weil die Urlaubsreise vom Veranstalter oder Hotelbetreiber virusbedingt abgesagt wurde?

Nein. Einmal gewährter Urlaub kann nicht einseitig zurückgegeben werden. Eine Einigung mit dem Arbeitgeber ist selbstverständlich möglich. Nur im Falle der Erkrankung während des Urlaubes regelt § 9 des Bundesurlaubsgesetzes, dass die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet werden.

Besteht die Verpflichtung, eine vom Arbeitgeber angeordnete Geschäftsreise ins Ausland anzutreten?

Grundsätzlich ja. Arbeitgeberseitige Anweisungen müssen aber gemäß § 106 Gewerbeordnung „billigem Ermessen“ entsprechen. Das macht eine Interessenabwägung erforderlich, bei der auch die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht einzubeziehen ist. Liegt am Dienstort im Ausland eine konkrete Infektionsgefahr des Arbeitnehmers vor und wurde beispielsweise eine Reisewarnung ausgesprochen, was für einige Teile Chinas gilt, kann der Mitarbeiter die Reise verweigern.

Wie ist damit umzugehen, wenn Arbeitnehmer in großer Zahl erkranken, Auftrags- oder Lieferengpässe eintreten und mein Unternehmen wegen des Coronavirus in eine schwere Krise gerät?

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber auch diesbezüglich das Betriebsrisiko. In einem solchen Fall können Unternehmen aber Kurzarbeit beantragen. Zunächst muss ein Betrieb aber alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Kurzarbeit zu vermeiden (z.B. Überstundenabbau, Ausnutzen der Möglichkeiten eines Arbeitszeitkontos). Weiteres siehe oben.

Was gilt in dem Fall, dass ich einen Vertrag wegen des Coronavirus nicht erfüllen kann?

Das ist eine Frage des Einzelfalls. Haben Sie im Vertrag eine Höhere-Gewalt-Klausel – auch force majeure-Klausel genannt –, kann dies weiterhelfen. Das hängt jedoch von der konkreten Formulierung und den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab: Beinhaltet die Klausel eine Epidemie nicht als Beispiel, ist die Rechtslage unklar. Oft werden Epidemien zu Höherer Gewalt gezählt. Sie müssten dann aber unvorhersehbar gewesen sein. Das hängt wiederum vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses und Inhalt des Vertrages ab, pauschal kann hier keine Antwort gegeben werden.
Ohne eine Höhere Gewalt-Klausel kann man sich hierauf nur auf berufen, wenn die Lieferung oder Leistung unmöglich geworden ist (§ 275 BGB), also zum Beispiel alternative Lieferwege oder Ersatzware auch mit Mehraufwendungen nicht zur Verfügung stehen. Eine bloße Erschwerung der Leistung reicht nicht aus.

Bei Vorliegen von Höherer Gewalt wird die Vertragspartei ganz oder teilweise von ihren vertraglichen Pflichten, deren Erfüllung ihr unmöglich geworden ist, befreit.

Prüfen Sie also Ihre Verträge genau. Oft enthalten die Klauseln auch Fristen oder bestimmte Handlungspflichten.

Sofern ein Berufen auf Höhere Gewalt nicht möglich ist, kann gegebenenfalls eine Vertragsanpassung oder ein Rücktritt vom Vertrag aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§313 BGB) möglich sein.

Kommt jemand für die wirtschaftlichen Folgen einer behördlich angeordneten Schließung meines Unternehmens auf?

Das Infektionsschutzgesetz sieht hierfür keine Entschädigung vor. Weiterhelfen würde ggf. eine bestehende Betriebsschließungs- oder Epidemie-Versicherung. Dabei kommt es auf den Inhalt der jeweiligen Versicherungsbedingungen an.

Gesonderte staatliche Hilfen für vom Coronavirus betroffene Unternehmen sind derzeit wohl nicht geplant. Es gibt aber unabhängig davon verschiedene bewährte Fördermöglichkeiten, wie z. B. von der NRW. Bank, der KfW oder der Bürgschaftsbank NRW, die für Unternehmen, die durch das Coronavirus in eine Krise geraten sind, in Frage kommen können.

Wie kann ich sonst noch vorsorgen?

Völlig unabhängig vom Corona-Virus ist es für Unternehmen für ähnlich gelagerte Fälle empfehlenswert, einen „Notfallplan“ zu haben, der etwa auch beinhaltet, wo Vollmachten, ein Vertretungsplan, Informationen zu Kunden- und Lieferantenstrukturen und eine Dokumentenmappe mit Bankverbindungen, Passwörtern versehen, verwahrt ist, um auf den Fall einer Erkrankung des Geschäftsführers/der Geschäftsführerin reagieren zu können.

Der Beitrag wurde am 16. März 2020 aktualisiert. (TT)