Das Verwendungsrisiko der Mietsache im Geschäftsraummietvertrag am Beispiel von COVID-19: vorausschauende Vertragsgestaltung hilft

Das Landgericht (LG) Frankfurt/Main hat unlängst entschieden, dass die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätte wegen COVID-19 weder ein Mietmangel ist, noch Teil der Unmöglichkeit. Solange der Mieter das Risiko trägt, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können, führen befristete Schließungen nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage (Urt. v. 02.10.2020, 2-15 O 23/20). Damit folgt das Gericht der bislang einzigen veröffentlichten Entscheidung des LG Heidelberg (Urt. v. 13.07.2020, 5 O 66/20). Die – noch nicht rechtskräftigen – Urteile sind nicht überraschend, sondern führen die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung zum Verwendungsrisiko der Mietsache auf Mieterseite bei Geschäftsraummietverhältnissen fort.

Die Entscheidung des LG Frankfurt/Main

In dem vom LG Frankfurt/Main zu entscheidenden Sachverhalt vermietete die Klägerin an die Beklagte Gewerberäume zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art sowie aller Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs. Die Beklagte führt in den Räumlichkeiten ein dementsprechendes Einzelhandelsgeschäft. Sie betreibt darüber hinaus mehrere tausend weitere solcher Märkte in Deutschland und einigen europäischen Ländern. Im Zuge der COVID-19-Pandemie verordnete das Land Hessen die Schließung sämtlicher Verkaufsstätten des Einzelhandels, also auch des Geschäfts der Beklagten, und zwar zeitweise vom 18.03. bis zum 20.04.2020.

Die Beklagte verzeichnete unternehmensweit während der Schließung der Filialen einen erheblichen Umsatzrückgang mit einer dadurch verursachten Liquiditätslücke, sodass der Beklagten nach eigenen Angaben die Mietzinszahlung im April 2020 nicht möglich war.  Die Klägerin verlangte im Klageverfahren nun Zahlung der Miete für April 2020, die ihr das Gericht aus folgenden Gründen zusprach. Die Beklagte sei, so das LG Frankfurt/Main, nicht gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB von der Entrichtung der Miete befreit oder nach § 536 Abs. 1 S. 2 BGB zur Entrichtung nur einer herabgesetzten Miete verpflichtet, weil in der staatlich verordneten Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels kein Mangel in der Mietsache nach § 536 Abs. 1 S. 1 BGB liege.

Ein Mangel setzt voraus, dass der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Wenn – wie im Streitfall – die Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes  von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt. Auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können zu einem Mangel führen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters. Durch hoheitliche Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen können deshalb nur dann einen Mangel begründen, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache im Zusammenhang stehen. Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen in dessen Risikobereich. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet den Vermieter nur, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der den Mietern die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht, das Verwendungsrisiko trägt hingegen der Mieter allein.

Wegfall der Geschäftsgrundlage

Mit dem Hinweis auf das mieterseitige Verwendungsrisiko hat das Gericht sodann auch die weiteren Einwendungen des Mieters zur Zahlungsverpflichtung zurückgewiesen und insofern auch die Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage verneint.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB zumindest denkbar ist, wenn in extremen Ausnahmefällen eine Situation eintritt, die durch eine unvorhergesehene Entwicklung existenzbedrohend ist. Solange der Mieter im Zuge von COVID-19 die Möglichkeit hat, durch Kurzarbeit und staatliche Hilfen Einsparungen zu erzielen, wobei auch ein möglicher Onlinehandel zu berücksichtigen wäre, dürfte die erzwungene Schließung keine existenziell bedeutsamen Folgen für den Mieter haben. Hinzu kommt, dass der Schließungszeitraum mit einem Monat im Streitfall recht überschaubar ausfiel und die Geschäftstätigkeit danach ohne erhebliche Einschränkungen wieder aufgegriffen werden konnte. Dann muss es dem Mieter aber auch zumutbar sein, rückständige Miete auszugleichen.

Insofern sind die gesetzgeberischen Maßnahmen um Art. 240 § 2 Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) mit der Möglichkeit von Kurzarbeit sowie Inanspruchnahme staatlicher Hilfen eine abschließende Regelung und entfalten damit Sperrwirkung zu Lasten des Mieters, sich zusätzlich noch auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen zu können.

Streitigkeiten über einen Wegfall der Geschäftsgrundlage und Verwendungsrisiken sind im Rahmen von Geschäftsraummietverhältnissen nicht selten, insbesondere, wenn Gewinnerwartungen auf Mieterseite enttäuscht werden. Vor allem im Zusammenhang mit der Anmietung von Ladenlokalen in Einkaufszentren versuchen Mieter nicht selten, sich mit dem Einwand zu einem angeblichen Wegfall der Geschäftsgrundlage von unliebsamen Mietverhältnissen zu lösen. Enttäuschte   Gewinnerwartungen sind aber Gegenstand des mieterseitigen Verwendungsrisikos, sodass sie keinen schlüssigen Einwand im Vertragsverhältnis mit dem Vermieter darstellen und im rechtlichen Sinne unerheblich sind.

Der vorausschauende Mieter wird also schon im Rahmen der Vertragsgestaltung versuchen, das Verwendungsrisiko zumindest teilweise auch dem Vermieter aufzubürden. Dies hat der BGH grundsätzlich als zulässig angesehen (Urt. v. 16.02.2002, XII ZR 279/97). Alternativ besteht die Möglichkeit auf Mieterseite ein Sonderkündigungsrecht zu vereinbaren, wenn erwartete Umsätze ausbleiben. Ob dies auf Vermieterseite akzeptiert wird, werden die Vertragsverhandlungen zeigen. Vielfach sind Vermieter zu solchen Regelungen nur dann bereit, wenn sie – quasi für den umgekehrten Fall – an hohen Umsätzen des Mieters im Rahmen einer über die monatliche Miete hinausgehenden Umsatz-Miete beteiligt werden.

  • Jens Ewelt

    • Rechtsanwalt
    • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
    • Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht