Kein Verbraucherbauvertrag bei Einzelgewerkvergabe

Mit dem „neuen“ Bauvertragsrecht wurde auch der „Verbraucherbauvertrag“ eingeführt (§§ 650i bis 650n Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Im Rahmen eines Verbraucherbauvertrages bestehen für den Auftragnehmer zusätzliche Pflichten, wie die Vorlage einer sehr detaillierten Baubeschreibung, und es entfallen Rechte, wie die Absicherung von Zahlungsansprüchen durch Bauhandwerkersicherung (§ 650f BGB). Zudem besteht für den Verbraucher ein Widerrufsrecht, § 650l BGB.

Gemäß § 650i BGB ist Voraussetzung für die Anwendung der Vorschriften zum Verbraucherbauvertrag, dass ein Verbraucher den Bau eines neuen Gebäudes oder erhebliche Umbaumaßnahmen durch einen Unternehmer betreiben lässt. Unklar blieb bislang, ob ein Verbraucherbauvertrag auch dann vorliegt, wenn im Rahmen eines solchen Bauvorhabens Leistungen nicht insgesamt an einen Unternehmer, sondern in Einzelgewerken an mehrere Unternehmer vergeben werden. Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Werk- und Bauverträge zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte jetzt erstmals Gelegenheit, hier eine Klärung herbeizuführen.

Anlass war ein privates Neubauvorhaben im Rahmen dessen die beauftragenden Eheleute (AG) Teile der erforderlichen Leistungen, hier Innen- und Außenputzarbeiten, im Wege der Einzelvergabe beauftragt hatten, sodass die Errichtung des Neubaus nicht in der Hand nur eines einzelnen Unternehmers lag. Der Auftragnehmer (AN) wurde nicht vollständig bezahlt und forderte die AG zunächst unter Fristsetzung erfolglos zur Zahlung des offenen Betrags und anschließend zur Leistung einer Sicherheit hierfür im Sinne von § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB (Bauhandwerkersicherung) auf.

Das Landgericht Landau sah die Klage auf Sicherheitsleistung als begründet an (Urt. v. 11.03.2021, 2 O 315/19). Das Urteil ging sodann in die Berufung. Nach Zahlung des offenen Betrages wurde seitens der AN der Rechtsstreit für erledigt erklärt, dem die AG aus Kostengründen widersprochen haben.

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat die nunmehr auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache umgestellte Klage abgewiesen (Urt. v. 29.03.2022, 5 U 52/21). Es hat die Auffassung vertreten, die ursprüngliche Klage auf Sicherheitsleistung sei bereits unbegründet gewesen. Dem Anspruch auf Sicherheitsleistung gemäß § 650f Abs. 1 BGB habe von Anfang an der Ausnahmetatbestand des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB entgegengestanden. Die AN als Besteller seien Verbraucher und hätten mit der Klägerin einen Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB geschlossen. Ein solcher liege auch bei einer – wie hier – gewerkeweisen Vergabe von Bauleistungen vor. Eine Bauhandwerkersicherung habe der AN demnach nicht verlangen können.

Die zugelassene Revision des AN zum BGH ist erfolgreich gewesen. Der VII. Zivilsenat des BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat (Urt. v. 16.03.2023, VII ZR 94/22). Die Klage auf Sicherheitsleistung sei ursprünglich begründet gewesen und habe sich durch Zahlung erledigt. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB hätten nicht vorgelegen. Die Parteien hätten, so der BGH, keinen Verbraucherbauvertrag geschlossen.

Der BGH begründete das Urteil zum einen mit dem Wortlaut der Vorschrift in § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB, wonach ein Unternehmer einen Neubau zu errichten hätte. Hier zieht der BGH den Vergleich zur Formulierung in § 650a BGB, wo ausdrücklich erwähnt wird, dass diese Vorschriften auch anwendbar sind, wenn Vertragsgegenstand die Errichtung eines Gebäudes „oder eines Teils davon“ ist.

Die mit dem Abschluss eines Verbraucherbauvertrags verbundene Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen, die mindestens unter anderem Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte enthalten muss, spreche ebenfalls für dieses Verständnis. Zudem verweist der BGH auf die Entstehungsgeschichte des neuen Bauvertragsrecht im BGB.

Soweit die Auffassung vertreten wird, der Gedanke des Verbraucherschutzes erfordere es, auch die gewerkeweise vergebenen Leistungen im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes denselben Vorschriften zu unterwerfen, wie die Verpflichtung zum Neubau eines Gebäudes, hat das nach Ansicht des BGH gerade keine Umsetzung im Gesetz gefunden. Schließlich verbiete es auch das Gebot der Rechtsklarheit hier in besonderer Weise, den Begriff des Verbraucherbauvertrags aufgrund einer allgemeinen Zielvorstellung des Verbraucherschutzes zu erweitern, ohne dass dies im Gesetzestext erkennbar wäre. Denn der Unternehmer muss erkennen können, ob und welche Unterrichtungs- und Belehrungspflichten ihn schon im Vorfeld des Vertrages treffen.

Aus alledem folgert der BGH sodann, dass § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB mangels Vorliegens einer planwidrigen Gesetzeslücke auch nicht entsprechend auf Verträge über einzelne Gewerke im Rahmen des Baus eines neuen Gebäudes angewandt werden kann. Demnach konnte der AN eine Bauhandwerkersicherung für das Einzelgewerk von den AG beanspruchen, was gescheitert wäre, wenn auch bei einer Einzelvergabe von einem Verbraucherbauvertrag auszugehen wäre. Zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union besteht nach Ansicht des BGH keine Veranlassung.