Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: Höhe des Zinssatzes auf Steuerzinsen ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat am 18. August 2021 seine Entscheidungen veröffentlicht, wonach es die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von monatlich 0,5 % bzw. 6 % jährlich verfassungswidrig halte (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17). Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts bedeutet die Verzinsung von Steuernachzahlungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % nach Ablauf von 15 Monaten ab Ende des betreffenden Steuerjahres eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern gegenüber jenen, deren Steuer bereits vorher vom Finanzamt endgültig festgesetzt worden ist und die daher keine Zinsen an das Finanzamt zu zahlen haben. Diese Ungleichbehandlung sei für die Jahre 2010 bis 2013 noch als verfassungsgemäß anzusehen, ab dem Jahr 2014 aber nicht mehr. Die Entscheidungen umfassen auch Erstattungszinsen, die das Finanzamt einem Steuerpflichtigen zahlt, der erst nach 15 Monaten seine Steuererstattung erhält.

Da das Verfassungsgericht die bisherige Vorschrift trotz ihrer Verfassungswidrigkeit jedoch nicht rückwirkend ab dem Jahr 2014 als nichtig ansieht, sondern bis zum Jahr 2018 für weiter anwendbar erklärt, sind Steuerpflichtige, die Nachzahlungen leisten mussten, von dieser Entscheidung nicht betroffen. Der bisherige Zinssatz gilt somit erst für Verzinsungen ab 1. Januar 2019. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht keinen konkreten Zinssatz vorgegeben, sondern dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu bewirken. Diese muss sich dann rückwirkend auf alle Jahre ab dem Jahr 2019 erstrecken und alle noch nicht bestandskräftigen Bescheide erfassen.

Das Finanzamt muss in den offenen Fällen die Zinsen rückwirkend ab dem Jahr 2019 neu berechnen. Es kann hier bei Steuernachzahlungen zu einer teilweisen Zinserstattung an die Steuerpflichtigen kommen. Im Falle von Steuererstattungen wird wiederum eine Rückzahlung der zu hohen Zinsen an das Finanzamt gefordert werden. Bei Zinsbescheiden, die den vom Bundesfinanzministerium grundsätzlich seit Mai 2019 verfügten Vorläufigkeitsvermerk enthalten, können Steuerpflichtige die gesetzliche Neuregelung abwarten, ansonsten müssen sie selbst tätig werden und sich an das Finanzamt wenden. Das ist aber nur möglich, wenn der betreffende Bescheid noch „offen“ ist, also unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht oder die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist.

  • Frank Nordhoff

    • Rechtsanwalt
    • Fachanwalt für Steuerrecht
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