Staatsferne der Presse: Die öffentliche Hand muss sich raushalten, kann aber investieren

Die Betätigung der öffentlichen Hand auf dem hart umkämpften Pressemarkt wirft in aller Regel nicht nur Fragen des öffentlichen Rechts, sondern auch des gewerblichen Rechtsschutzes auf. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte schon im Sommer des letzten Jahres in der sogenannten „dortmund.de-Entscheidung“ (Urt. v. 14.07.2022, I ZR 97/21) über die Zulässigkeit des Internetangebotes der Stadt Dortmund zu entscheiden, in dem neben amtlichen Mitteilungen auch redaktionelle Inhalte veröffentlicht wurden. Dort hatte der BGH zwar einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verneint. Es ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob die konkreten Veröffentlichungen nach Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge die Neutralität sowie die Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der betreffenden staatlichen Stelle verletzen. Der BGH sah in dem konkreten Fall also keine Pressetätigkeit der Stadt Dortmund.

Jetzt hatte sich das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit der Frage zu befassen, wann eine unzulässige staatliche Einflussnahme auf ein im konkreten Fall unstreitiges Presseangebot vorliegt (Urt. v. 12.10.2022, 6 U 309/21).

Anbieterin der streitgegenständlichen App und Beklagte in dem Rechtstreit war eine GmbH & Co. KG, deren Kommanditisten mit einem Anteil von jeweils 49 % eine regionale Sparkasse und eine weitere GmbH sowie mit einem Anteil weiterer 2 % eine AG sind. An der geschäftsführenden Komplementär-GmbH sind die drei Kommanditisten zu entsprechenden Anteilen beteiligt. Die Komplementärin hat zwei Geschäftsführer, einer ist gleichzeitig Bereichsleiter der Sparkasse. Die App wurde auf Betreiben der Sparkasse entwickelt, die Sparkasse ist bei der Akquise von Vertriebsmitarbeitern für die GmbH & Co. KG behilflich und die GmbH & Co. KG hat ihren Sitz im selben Gebäude wie die Sparkasse. Fraglich war nun, ob aufgrund dieser Beteiligungen der kommunal getragenen Sparkasse eine Verletzung der Staatsferne der Presse angenommen werden kann, denn ein Wettbewerber der GmbH & Co. KG hatte diese auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Gebot der Staatsferne ist eine sogenannte Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Wird diese verletzt, kann ein Wettbewerber den Anbieter des Presseangebotes auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

Die vorliegend in Frage kommende Beherrschung des App-Betreibers durch die Sparkasse hat das OLG nicht angenommen. Es hat dabei zutreffend nicht den Ausschluss auch letzter Zweifel als Voraussetzung verlangt, sondern nur einen „für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit“. Für eine solche Gewissheit für die Annahme einer Beherrschung reichten die durch die Klägerin belegten Fakten aber nicht aus. Das OLG Karlsruhe hat sich dabei nicht von der Vielzahl der möglichen Ansatzpunkte für die Annahme einer eventuellen Beherrschung blenden lassen, sondern vollkommen zurecht jeden einzelnen Punkt isoliert bewertet und auch in einer Gesamtschau der jeweils nicht ausreichenden Einzelaspekte eine Beherrschung verneint.

Die Beteiligung von unter 50 % an den Kommanditanteilen der GmbH & Co. KG und ebenso von unter 50 % an den Gesellschaftsanteilen der Komplementär-GmbH reicht für sich gesehen nicht aus, um eine Beherrschung anzunehmen. Sie kann nur in Verbindung mit weiteren Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art eine Beherrschung begründen und solche Umstände waren hier zu verneinen. Die Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge sah ein an die Anteile gekoppeltes Stimmgewicht vor und Gesellschafterbeschlüsse bedurften grundsätzlich einer einfachen Mehrheit. Die Personenidentität zwischen dem Geschäftsführer der Komplementärin und dem „Bereichsleiter Eigenanlage“ der Sparkasse hat das OLG auch nicht als ausreichenden Umstand angesehen. Dass es aufgrund dieser Konstellation zu einer „beständigen und umfassenden gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussnahme“ gekommen sei oder in Zukunft komme, war nach Auffassung des OLG nicht dargelegt. In dem Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG und der Komplementärin war darüber hinaus festgelegt, dass die Sparkasse keinen Einfluss auf die presserechtlichen Angelegenheiten der GmbH & Co. KG sowie der Komplementärin einschließlich redaktioneller Fragen hat.

Das OLG Karlsruhe hat richtigerweise reine Spekulationen über ein zukünftiges (gesellschafts-)vertragswidriges Handeln des Geschäftsführers der GmbH & Co. KG und eine sich daraus ergebende faktische Einflussnahme durch die Sparkasse ebenso wenig beachtet, wie die Vertriebsunterstützung durch die Sparkasse. Diese hatte bei der Suche nach Vertriebsmitarbeitern für die Betreiber-GmbH & Co. KG durch entsprechende Werbung auf der Sparkassen-Website geholfen. Auch die Tatsache, dass die GmbH & Co. KG ihre Geschäftsräume in demselben Gebäude hat wie die Sparkasse reichte dem OLG nicht.

Für die Praxis bedeutet dies, dass die öffentliche Hand nicht per se daran gehindert ist, sich an Presseleistungen Dritter durch das Halten unterhalb der 50 %-Marke liegender Gesellschaftsanteile, durch beschränkte werbliche Unterstützung und auch durch personelle und ggf. auch räumliche Verflechtungen zu beteiligen.

Dabei muss eine mittelbare Einflussnahme durch eine Begrenzung der gesellschaftsrechtlichen Anteile unterhalb der für Gesellschafterbeschlüsse erforderlichen Mehrheitsverhältnisse und durch gesellschaftsvertragliche Verbote eines „Einmischens“ in presserechtliche Belange wirksam verhindert werden.