Die Rechtswahl in grenzüberschreitenden Sachverhalten

Die Möglichkeit, in grenzüberschreitenden Verträgen das anwendbare Recht zu wählen, gilt als einer Grundprinzipien des internationalen Vertragsrechts. Dennoch gilt es verschiedene Details zu beachten. Zudem ist eine Rechtswahl bei sogenannten außervertraglichen Schuldverhältnissen möglich, was in bestimmten Konstellationen zu erheblichen Erleichterungen in streitigen Verfahren führen kann.

Rechtswahl in grenzüberschreitenden Verträgen

Eine Rechtswahl in grenzüberschreitenden Verträgen kann nach der einschlägigen Rom I-Verordnung auf jedes Recht fallen, insbesondere wird grundsätzlich keine Beziehung und keine Nähe des Vertrages zum gewählten Recht verlangt. Die Parteien können so eine „neutrale“ staatliche Rechtsordnung wählen. Dies erweist sich etwa dann als vorteilhaft, wenn die Vertragsparteien in der Verhandlungssituation verhindern wollen, dass gerade die Rechtsordnung der jeweils anderen Vertragspartei zur Anwendung kommt.

„Binnenmarktklausel“

Es bestehen jedoch Grenzen bei der Wahl eines solchen „neutralen“ Rechtes: Sofern alle Elemente des Sachverhaltes in einem anderen Staat liegen (rein innerstaatliche Sachverhalte), so behalten die zwingenden Bestimmungen im Recht dieses anderen Staates ihre Gültigkeit.

So ist es etwa den Parteien eines Handelsvertretervertrages zwar grundsätzlich unbenommen, das Recht eines Staates zu wählen, in dem der Anspruch des Handelsvertreters auf Ausgleich nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht existiert. Befinden sich jedoch der Handelsvertreter und der Unternehmer etwa in Deutschland und wurden durch den Handelsvertreter Geschäftsverbindungen mit neuen Kunden weit überwiegend in Deutschland geworben, ist der Ausgleichsanspruch nach § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) als zwingende Vorschrift deutschen Rechts weiterhin anwendbar.

Wahl nichtstaatlichen Rechts?

In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden zahlreiche, zum Teil hochspannende nicht-staatliche Regelwerke des Zivilrechts durch Wissenschaft und Praxis erarbeitet. Eine ganz besondere Rolle kam dabei dem durch die Europäische Kommission intensiv geförderten Draft Common Frame of Reference (DCFR) zu, der als gleichsam Europäisches Zivilgesetzbuch konzipiert wurde. Neben diesem DCFR genießen vor allem die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts international hohes Ansehen. Diese UNIDROIT Principles sind vor allem, aber nicht nur in afrikanischen Staaten als Zivilgesetzbücher nahezu wortlautgetreu als Gesetz in Kraft gesetzt worden.

Vor diesem Hintergrund lag es für die Europäische Kommission wohl nahe, eine Wahlmöglichkeit zugunsten nichtstaatlicher Regelwerke vorzuschlagen. Dieser Vorschlag sah vor, dass die Parteien „als anzuwendendes Recht auch auf internationaler oder Gemeinschaftsebene anerkannte Grundsätze und Regeln des materiellen Vertragsrechts wählen“ können. Sic transit gloria mundi – die Europäische Kommission konnte sich mit dieser Idee nicht durchsetzen: Sei es, weil sich die Frage, welche Regelwerke auf „internationaler Ebene oder Gemeinschaftsebene anerkannt“ sind und welche nicht, kaum beantworten ließ; sei es, dass die Zeit rechtspolitisch noch nicht reif für eine solche Weiterung der Rechtswahlmöglichkeit war; sei es, dass die Praxis kein Interesse an einer solchen Wahlmöglichkeit hatte oder aber dass es bei der Lückenhaftigkeit der Regelwerke ohnedies eines Rückgriffes auf eine staatliche Rechtsordnung bedurft hätte – eine Wahl nichtstaatlichen Rechts ist jedenfalls nie umgesetzt worden.  

UN-Kaufrecht

Der DCFR scheiterte letztlich an seinem eigenen Anspruch und wohl auch daran, dass er von führenden Vertretern der Praxis und Lehre in zahlreichen Europäischen Mitgliedstaaten als „zu deutsch“ wahrgenommen wurde. Tatsächlich lässt sich kaum von der Hand weisen, dass jenes in Osnabrück beheimatete Projekt unter der Leitung von Christian von Bar sehr dem – zuweilen recht intensiven – deutschen Willen zur Systematisierung des zu regelnden Rechtsstoffes anzumerken war, der etwa den romanischen Rechtsordnungen, erst recht jedoch dem britischen Common Law einigermaßen fremd ist. Womöglich scheiterte der DCFR auch daran, dass für grenzüberschreitende Verträge zwischen Unternehmen mit dem UN-Kaufrecht ein etabliertes und international hoch angesehenes Instrument existiert.

Für die Frage der Rechtswahl ist dabei zu beachten, dass das UN-Kaufrecht als völkerrechtlicher Vertrag Bestandteil der deutschen Rechtsordnung ist. Wird somit etwa lediglich „deutsches Recht“ gewählt, umfasst dies das UN-Kaufrecht. In all jenen Fällen, in denen Unternehmen einen grenzüberschreitenden Warenkauf vornehmen, ist daher das UN-Kaufrecht (und nicht etwa das BGB) deutsches Recht. Will man das UN-Kaufrecht abwählen, muss dies ausdrücklich geschehen.

Rechtswahl bei außervertraglichen Schuldverhältnissen

Die Parteien eines außervertraglichen Schuldverhältnisses, etwa eines Verkehrsunfalles, kennen sich üblicherweise im Vorfeld nicht, sodass auf den (nur) ersten Blick eine Rechtswahlmöglichkeit recht merkwürdig scheint. Trotzdem war die Rechtswahl auch bei solchen außervertraglichen Schuldverhältnissen in den allermeisten europäischen Mitgliedstaaten möglich und findet sich daher auch in der einschlägigen Rom II-Verordnung.

Diese Rom II-Verordnung sieht im Grundsatz vor, dass die Parteien das Recht, nach dem das außervertragliche Schuldverhältnis zu beurteilen ist, jedenfalls nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses einvernehmlich bestimmen können. Dies vereinfacht in der Praxis jene Fälle, in denen vor dem „einheimischen“ Gericht ein ausländisches Haftpflichtrecht anzuwenden wäre, so etwa, wenn zwei deutsche Urlauber in Frankreich einen Verkehrsunfall erleiden. Nach der allgemeinen Grundregel der Rom II-Verordnung wäre in diesem Fall durch ein deutsches Gericht in einem Rechtsstreit von zwei Parteien mit Wohnsitz in Deutschland das französische Recht am Unfallort anzuwenden. Die Rechtswahlmöglichkeit eröffnet stattdessen den Parteien die Möglichkeit, französisches Recht abzuwählen und stattdessen die Geltung deutschen Rechts zu vereinbaren. Diese Rechtswahl vereinfacht den Rechtsstreit erheblich und verringert Kosten, weil die französische Rechtslage nicht erst ermittelt werden muss.

Während im Grundsatz bei außervertraglichen Schuldverhältnissen eine Rechtswahl nur nach dem Schadensereignis möglich ist, gilt für Unternehmen eine gewichtige Ausnahme. Sofern alle Parteien bereits vor dem haftungsbegründenden Ereignis einer unternehmerischen Tätigkeit nachgehen, ist eine Rechtswahl auch im Vorfeld eines Schadensfalles zulässig.

Rechte Dritter Jede Rechtswahl im Sinne der Rom II-Verordnung findet schließlich ihre Grenze in den Rechten Dritter; diese bleiben von der Rechtswahl unberührt. Zudem findet sich auch in der Rom II-Verordnung die bereits oben angesprochene Binnenmarktklausel. Liegen alle Sachverhaltselemente in europäischen Mitgliedstaaten, sind wiederum die zwingenden Bestimmungen in der Ausgestaltung des Rechts am Gerichtsstand zurückzugreifen.

  • Prof. Dr. Thomas Thiede, LL.M.

    • Rechtsanwalt
    • Deutsches und europäisches Kartellrecht / Fusionskontrolle
    • Honorarprofessor der Karl-Franzens-Universität Graz