Bei Sachverhalten mit Auslandsberührung sind zwei verschiedene Rechtsgebiete anzuwenden. Zunächst entscheidet das Internationale Privatrecht, welche der Rechtsordnungen anzuwenden ist. Und natürlich entscheidet dann die so bestimmte nationale Rechtsordnung in der Sache selbst.
Selbstbestimmung als Partei- und Privatautonomie
Für beide Rechtsgebiete gilt das übergeordnete Prinzip der Selbstbestimmung. Die Beteiligten können die wechselseitigen Rechte und Pflichten etwa in Verträgen nach ihrem freien Willen bestimmen.
Handelt es sich um ein grenzüberschreitendes Rechtsgeschäft, erlangen zwei Facetten dieses Selbstbestimmungsprinzips Geltung. Im Internationalen Privatrecht gilt, dass die Parteien eines grenzüberschreitenden Rechtsgeschäfts das anwendbare Sachrecht frei wählen dürfen. Man spricht von der Parteiautonomie. Im so gewählten nationalen Recht gilt, dass alles frei geregelt werden kann, was nicht ausdrücklich anders geregelt werden muss. Man spricht von der Privatautonomie.
Zwischen der Partei- und der Privatautonomie besteht eine Verknüpfung. Das nationale Sachrecht kann eine Rechtswahl durchbrechen, wenn mit der Rechtswahl gegen zwingendes nationales Recht durch die Rechtswahl verstoßen wird.
Reiner Inlandsvertrag und „Heimwärtsstreben“ der Gerichte
Für einen Vertrag, der bei objektiver Betrachtung Beziehungen nur zu einem Staat aufweist, also ein reiner Inlandsvertrag ist, können die Parteien die Parteiautonomie nur sehr begrenzt wahrnehmen. Sie können zwar ein Recht wählen, das nicht im Land des Vertrages spielt. Sind aber alle weiteren Elemente des Sachverhalts im Inland belegen, besteht kein Anlass, dieser Vereinbarung Folge zu leisten. Die Parteien können mit dieser Rechtswahl kaum die Anwendung des Rechts des Inlands verhindern.
Inländische Richter kennen ausländisches Recht nicht. Kommt es zur wirksamen Rechtswahl, liegen also genug Auslandsbezüge vor, können Richter trotzdem geneigt sein, unter Verweis auf einen vermeintlichen reinen Inlandsvertrag „heimwärts“ ins eigene Recht zu „streben“. Gesetzgebern ist die Versuchung der Gerichte bewusst, sich der mühsamen Ermittlung ausländischen Rechts unter Verweis auf einen angeblichen reinen Inlandsvertrag zu entziehen. Es gelten daher recht hohe Hürden, um ein solches Heimwärtsstreben der erkennenden Gerichte zu vermeiden.
Die vorbeschriebene Beschränkung der Rechtswahlfreiheit der Parteien greift daher nur dann ein, wenn der Sachverhalt keinen echten Auslandsbezug aufweist und bei objektiver Betrachtung alle (!) Elemente des Sachverhalts in einer einzigen Rechtsordnung eingebettet sind.
Mietvertrag einer Botschaft
Der Bundesgerichtshof (BGH) dürfte nun in einem jüngeren Urteil dieser Versuchung erlegen sein (Urt. v. 29.11.2023, VIII ZR 7/23), indem er für die Auslegung eines Zeitmietvertrages zwischen einem ausländischen Staat an einen Bürger dieses Staates über eine Mietwohnung in Deutschland einen reinen Inlandssachverhalt annahm.
Bei objektiver Betrachtung lag keine Umgehung des deutschen Rechts, sondern ein valider Auslandsbezug mehr als nur nahe. Vermieter war das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten. Der Mieter war nicht nur Staatsangehöriger des Staates, dessen Recht gewählt wurde, sondern verfügte dort wohl auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt. Schließlich war der Vertrag nicht in deutscher Sprache abgefasst, sondern in der Sprache des gewählten Rechts. Die Parteien wählten daher auch das gemeinsame Recht dieses Staates, freilich für ein Mietobjekt in Berlin.
Es erscheint durchaus fernliegend, dass ein durch ein Ministerium eines ausländischen Staates mit einem Staatsbürger dieses Staates, der dort zumindest einen weiteren Wohnsitz hat, in der gemeinsamen Landessprache abgefasster Mietvertrag über ein im Eigentum dieses Staates stehendes Mietobjekt einen reinen Inlandssachverhalt darstellt. Trotzdem nahm der BGH einen reinen Inlandssachverhalt an.
Keine Scheuklappen
Die Entscheidung ist insbesondere deshalb unerfreulich, weil einem „Heimwärtsstreben“ deutscher Gerichte ohne Not höchstrichterlich Vorschub geleistet wird. Dabei hätte nur die Verknüpfung zwischen Parteiautonomie und Rechtswahlfreiheit und zwingendem nationalen Recht beachtet werden müssen. Es wäre dem BGH unbenommen gewesen, die deutschen Regeln über Zeitmietverträge als so zwingend einzuordnen, dass sie das gewählte Recht durchbrechen. Das Ergebnis wäre das Gleiche gewesen, aber ohne Scheuklappen vor dem Gesamtsystem des Internationalen Privatrechts.