„Goodbye Deutschland“ – auch für Personengesellschaften

Der Gesetzgeber ist zunehmend bemüht, die Möglichkeiten der „Auswanderung“ deutscher Gesellschaften zu regeln. Für Kapitalgesellschaften ist durch das neue Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze (UmRUG), das am 01.03.2023 in Kraft getreten ist, nun gesetzlich bestimmt, wie das gesamte Gesellschaftsvermögen beispielsweise im Wege der grenzüberschreitenden Verschmelzung auf eine andere Gesellschaft im Ausland übertragen werden kann. Es fehlt aber nach wie vor eine Regelung für die grenzüberschreitende Übertragung des gesamten Vermögens einer deutschen Personengesellschaft, also beispielsweise einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder einer GmbH & Co. KG.

Regelungslücken

In der Beratungspraxis stellt sich des Öfteren die Frage, wie eine deutsche Personengesellschaft auf eine ausländische Gesellschaft „verschmolzen“ werden kann, sodass die deutsche Personengesellschaft untergeht und das gesamte Vermögen der deutschen Personengesellschaft ohne Liquidation und etwa ohne „Veto-Rechte“ von Arbeitnehmern oder Vertragspartnern ins Ausland verlagert werden bzw. auf eine ausländische Gesellschaft übertragen werden kann.

Für Personengesellschaften ist eine grenzüberschreitende Hinausverschmelzung nach den §§ 305 ff. Umwandlungsgesetz (UmwG) zwar an sich ausgeschlossen. Wenn aber die Verschmelzung einer deutschen Personengesellschaft auf eine ausländische Gesellschaft gesetzlich ausgeschlossen ist, bedeutet dies nicht, dass faktisch derselbe Effekt oder zumindest ein vergleichbarer Zustand durch andere Maßnahmen hergestellt bzw. erreicht werden kann. Denn das grenzüberschreitende Umwandlungsrecht weist nach wie vor Regelungslücken im Hinblick auf deutsche Personengesellschaften auf. Und diese können hierfür genutzt werden.

Anwachsung

Eine Möglichkeit hierfür stellt die Ausnutzung der im deutschen Recht geregelten Anwachsungsmöglichkeit für Personengesellschaften dar. Denn es entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass Personengesellschaften mindestens immer zwei Gesellschafter aufweisen müssen. Wenn der vorletzte Gesellschafter aus einer deutschen Personengesellschaft austritt, ordnet das Gesetz den automatischen Übergang des gesamten Vermögens und der gesamten Verbindlichkeiten der dann untergehenden deutschen Personengesellschaft auf den letzten Gesellschafter an. Und genau diesen Effekt möchte man sich zu Nutze machen, wenn zunächst eine ausländische Gesellschaft, die dann letztendlich das gesamte Gesellschaftsvermögen der deutschen Personengesellschaft erhalten soll, als ersten Schritt einer Personengesellschaft beitritt und damit deren Gesellschafter wird. In einem zweiten Schritt treten dann sämtliche Gesellschafter der deutschen Personengesellschaft mit Ausnahme dieses neuen ausländischen Gesellschafters aus, sodass – automatisch und ohne förmliches Liquidationsverfahren – dann die deutsche Personengesellschaft mangels weiterer Gesellschafter untergeht, und zwar sofort mit Austritt des vorletzten Gesellschafters.

Als Rechtsfolge erhält dann der erst kürzlich hinzugetretene ausländische Letztgesellschafter der deutschen Personengesellschaft das gesamte Gesellschaftsvermögen mit allen Aktiva und Passiva. Hierfür ist insbesondere nicht die Zustimmung der Vertragspartner oder Arbeitnehmer erforderlich, was in der Praxis oft einen wesentlichen Vorteil darstellt.

Besonderheiten

Als Besonderheiten sind allerdings insoweit zu berücksichtigen, dass Arbeitnehmern ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehen kann und ggf. Vertragspartner in den Verträgen Sonderregelungen vereinbart haben können, die im Falle des Erlöschens der deutschen Personengesellschaft bzw. der Verlagerung des gesamten Geschäftsbetriebes bzw. Gesellschaftsvermögens auf eine ausländische Gesellschaft dem Vertragspartner besondere Rechte einräumen. Zudem muss der Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft den neuen Gesellschafter, also die ausländische Gesellschaft, als Gesellschafter zulassen und sie muss nach deutschem Recht rechtsfähig sein. Um unerwünschte Überraschungen zu vermeiden, sollte das also vorher sorgfältig überprüft werden.

Resümee

Wenn diese und auch die weiteren Voraussetzungen für die Anwachsung auf eine ausländische Gesellschaft erfüllt sind, stellt dies ein probates Mittel dar, um einen Zustand herzustellen, der dem Ergebnis einer an sich unzulässigen grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung von Personengesellschaften nach den §§ 305 ff. UmwG sehr nahe kommt. Faktisch kann ohne Durchführung einer formalen Liquidation, ohne Beteiligung von Arbeitnehmervertretungen, ohne Beteiligung von Arbeitnehmern nach Maßgabe des § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und ohne das Erfordernis einer vorherigen Zustimmung von Vertragspartnern damit der gesamte Geschäftsbetrieb bzw. das gesamte Gesellschaftsvermögen einer deutschen Personengesellschaft ins Ausland verlagert werden.

Auch wenn der Gesetzgeber die an sich nahe liegende, einfachere Maßnahme der grenzüberschreitenden Verschmelzung für deutsche Personengesellschaften als unzulässig erachtet, bleibt es für deutsche Personengesellschaften bei geschickter Gestaltung also möglich, „Goodbye Deutschland“ zu sagen und zukünftig den Geschäftsbetrieb vom Ausland aus weiter zu führen.

  • Dr. Steffen Lorscheider, LL.M.

    • Rechtsanwalt und Notar
    • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht