Maßgeblichkeit der Gesellschafterliste im Recht der GmbH?

In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gilt: Derjenige, der in der beim Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist, gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter (§ 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG), und zwar insbesondere im Hinblick auf das Teilnahmerecht in Gesellschafterversammlungen und das Gewinnbezugsrecht.

Dieser Grundsatz gilt grundsätzlich auch für verstorbene Gesellschafter. Diese werden mit ihrem Tod nicht automatisch – vom Registergericht – aus der Gesellschafterliste gestrichen. Vielmehr obliegt es den Geschäftsführern, unverzüglich eine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen, § 40 Abs. 1 GmbHG. Im Fall des Erben gilt dies jedoch erst dann, wenn die Rechtsnachfolge nach dem verstorbenen Erben eindeutig feststeht.

Für die Schwebezeit ist die Frage zu beantworten, wer die Gesellschafterrechte aus dem betroffenen Geschäftsanteil ausübt und damit insbesondere zu Gesellschafterversammlungen zu laden ist. Diese Frage war in einem vom Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe zu beurteilenden Sachverhalt entscheidungserheblich:

Die dort betroffene GmbH – eine Familiengesellschaft – hatte vier Gesellschafter – zwei Eltern und deren zwei Kinder. Der Vater als alleiniger Geschäftsführer der GmbH verstarb. Zwischen den verbleibenden Gesellschaftern bestand – wie nicht selten – Uneinigkeit darüber, wem die Geschäftsanteile des Vaters als Erben zugefallen seien. Eines der Kinder beantragte die Bestellung eines Notgeschäftsführers, damit die Gesellschaft wieder handlungsfähig werde. Das zuständige Amtsgericht Mannheim wies diesen Antrag zurück. Das in der Beschwerdeinstanz angerufene OLG Karlsruhe bestellte indes einen Notgeschäftsführer, um eine Nachlasspflegschaft zu beantragen und die Gesellschafterliste zu aktualisieren (B. v. 27.04.2022, 1 W 71/21 (Wx)).

Denn nach Auffassung des OLG Karlsruhe sei die Gesellschafterversammlung ladungs- und beschlussunfähig. Schließlich sei aufgrund der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste der verstorbene Vater zu laden: ein Verstorbener könne jedoch nicht geladen werden. Da ein Geschäftsführer nicht existiere, sei eine Korrektur der Gesellschafterliste gem. § 40 Abs. 1 GmbHG nicht möglich, da kein Geschäftsführer bestellt sei. Dies führe zu dem Missstand, dass jedem Gesellschafterbeschluss (auch dem über die Bestellung eines Geschäftsführers) die Nichtigkeitsfolge des § 241 Nr. 1 AktG anhänge, was sich erst ändere, wenn ein Nachlasspfleger bestellt sei und dieser oder die „unbekannten Erben“ in die Gesellschafterliste eingetragen seien. Auf Grundlage dieser korrigierten Gesellschafterliste könne dann wieder zu Gesellschafterversammlungen eingeladen werden.

Würde man der Auffassung des OLG Karlsruhe folgen, hätte sie in der Praxis weitreichende Konsequenzen:

Wird zu einer Gesellschafterversammlung noch der zwischenzeitlich verstorbene Gesellschafter geladen (etwa deshalb, weil der Gesellschaft der Sterbefall gar nicht bekannt ist), wären sämtliche Beschlüsse dieser Gesellschafterversammlung nichtig. Korrigiert werden soll dieses Dilemma nach Auffassung des OLG Karlsruhe durch die Bestellung eines Notgeschäftsführers. Dieser solle – nach der Bestellung eines Nachlasspflegers – eine aktualisierte, den Nachlasspfleger ausweisende Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichen. Dann sei die Gesellschafterversammlung wieder ladungs- und beschlussfähig.

Die Auffassung des OLG Karlsruhe gibt Anlass zur Kritik. Zum einen ist es entgegen der Annahme des OLG nicht pauschal richtig, dass Beschlüsse einer Gesellschafterversammlung, zu der noch der Verstorbene geladen worden ist, analog § 241 Nr. 1 AktG zwingend als nichtig gelten. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Gesellschaft der Sterbefall (und damit die Unrichtigkeit der Liste) positiv bekannt wäre.

Zum anderen sprechen die besseren Argumente – namentlich die Begründung des Gesetzgebers zu § 40 Abs. 1 GmbHG – dafür, es für die Ladung auf die formale Stellung in der Gesellschafterliste ankommen zu lassen – und nicht auf die materielle Rechtslage.

Es ist die Aufgabe der Erben die Erbfolge eindeutig nachzuweisen. Aus einer ungewissen Gesellschafterstellung können und dürfen der Gesellschaft – und den übrigen Gesellschaftern – keine Nachteile erwachsen, insbesondere nicht ihre Beschlussunfähigkeit.

Führen die Erben keine Klärung der Erbfolge (durch Erbschein) herbei, obliegt es dem Geschäftsführer eine Nachlasspflegschaft anzuregen. Für die Einberufung von Gesellschafterversammlungen sollte er jedoch entgegen der Einschätzung des OLG Karlsruhe nicht auf die gerichtliche Bestellung eines Nachlasspflegers (und dessen Eintragung in die Liste) warten müssen, um wirksam zu einer Versammlung laden zu können.

Steht der Nachlasspfleger in der Folge fest und ist er der Gesellschaft bekannt, ist er – aus Gründen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht – zu der Gesellschafterversammlung zu laden, selbst wenn noch keine aktualisierte Gesellschafterliste beim Handelsregister hinterlegt ist.

Denn solange die Erbfolge nicht eindeutig geklärt ist, ist eine Aktualisierung der Liste nämlich mit Problemen verbunden. Viele Handelsregister haben in der Vergangenheit eine neue Gesellschafterliste nur dann aufgenommen, wenn die Erben in der Gesellschafterliste namentlich genannt werden; im Fall einer Nachlasspflegschaft stehen die Erben jedoch noch nicht fest. Der Nachlasspfleger wiederum ist nach der Rechtsprechung nicht in der Gesellschafterliste auszuweisen, da er wie der Testamentsvollstrecker (vgl. hierzu Bundesgerichtshof (BGH), B. v. 24.02.2015, II ZB 17/14) nicht Inhaber des Geschäftsanteils ist.

In jedem Falle macht die Entscheidung des OLG Karlsruhe eines deutlich: die Wirksamkeit der Ladung zu Gesellschafterversammlungen als Grundlage für die Fassung wirksamer Gesellschafterbeschlüsse birgt gelegentlich unvorhersehbare Fallstricke. Daher sollte in jedem Fall auf die Einladung zu Gesellschafterversammlungen, einschließlich der Abfassung der Tagesordnung, ein Augenmerk gerichtet werden. Denn: Fehlerhafte Einladungen zu Gesellschafterversammlungen können zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der in der betroffenen Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüssen führen.