Die Digitalisierung der Arbeitswelt schreitet unaufhaltsam voran – auch bei der Lohnabrechnung. Doch dürfen Arbeitgeber Entgeltabrechnungen ausschließlich digital bereitstellen? Mit dieser Frage befasste sich kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG) und stellte klar: Eine digitale Bereitstellung ist grundsätzlich zulässig, solange die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden (Urt. v. 18.01.2025, 9 AZR 48/24, noch nicht veröffentlicht, hier: Pressemitteilung des BAG).
Hintergrund des Falls
Im konkreten Fall war eine Verkäuferin im Einzelhandel betroffen. Ihr Arbeitgeber hatte auf Grundlage einer Konzernbetriebsvereinbarung entschieden, Entgeltabrechnungen nur noch in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitzustellen. Die Klägerin widersprach und forderte weiterhin eine Abrechnung in Papierform. Das Landesarbeitsgericht gab der Verkäuferin Recht und stellte fest, dass die Bereitstellung im digitalen Postfach nicht als ordnungsgemäße Erteilung der Abrechnung gelte, da es sich um eine zugangsbedürftige Erklärung handle.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das BAG hingegen entschied anders: Der Arbeitgeber wahrt die gesetzlich vorgeschriebene Textform gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO), wenn er die Abrechnung in einem digitalen Mitarbeiterpostfach zum Abruf bereitstellt. Entgeltabrechnungen seien eine sogenannte Holschuld – der Arbeitnehmer müsse sich also selbst um den Abruf kümmern. Der Arbeitgeber sei nicht dafür verantwortlich, dass die Abrechnung tatsächlich zur Kenntnis genommen werde.
Allerdings betonte das Gericht, dass berechtigte Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind. Beschäftigte, die privat keinen Zugriff auf das digitale Postfach haben, müssen im Betrieb eine Möglichkeit zur Einsicht und zum Ausdruck erhalten.
Praktische Konsequenzen für Arbeitgeber
Für Unternehmen bedeutet dieses Urteil mehr Rechtssicherheit bei der Umstellung auf digitale Prozesse. Dennoch sollten folgende Punkte beachtet werden:
- Transparenz schaffen: Arbeitgeber sollten ihre Beschäftigten frühzeitig über die digitale Bereitstellung und Abrufmöglichkeiten informieren.
- Technische Barrieren abbauen: Arbeitnehmer ohne private Zugriffsmöglichkeit müssen im Betrieb eine Alternative zur Einsicht erhalten.
- Betriebsvereinbarungen prüfen: Unternehmen sollten bestehende Regelungen zur digitalen Lohnabrechnung auf Konformität mit der neuen Rechtsprechung hin überprüfen.
Fazit
Das Urteil des BAG stärkt die Position der Arbeitgeber und ermöglicht eine moderne, digitale Entgeltabrechnung. Unternehmen sollten jedoch sicherstellen, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen informiert und in der Lage sind, auf ihre Abrechnungen zuzugreifen. Wer dies beachtet, kann den administrativen Aufwand reduzieren und gleichzeitig eine rechtssichere Lösung etablieren.