Nichts ist für die Ewigkeit, oder doch? Oberlandesgericht Hamm zur Gefahr künftiger Bergbauschäden im Ruhrgebiet

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hatte in einem eher seltenen Verfahren über Fragen im Zusammenhang mit Klauseln zum Bergbauschadenverzicht und Ewigkeitslasten durch Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet sowie über das neue Grubenwasserkonzept zu entscheiden. Danach ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft Bergbauschäden im Ruhrgebiet nicht gänzlich ausgeschlossen werden können.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks im Ruhrgebiet. Im Grundbuch zu diesem Grundstück ist eine Grunddienstbarkeit eingetragen, wonach der jeweilige Eigentümer verpflichtet ist, schädliche, durch den Bergbau des jeweiligen Eigentümers von konkret bezeichneten Steinkohlebergwerken ausgehende Einwirkungen wie Bodensenkungen und deren mögliche Folgeerscheinungen an Grundstücken und Gebäuden, Zufügung von Rauch, Staub, Wasser, Entziehung von Wasser und dergleichen mehr, auch über die vom Gesetz gezogenen Grenzen hinaus zu dulden, ohne Unterlassung, Wiederherstellung, Ersatz von Schäden oder Wertminderung beanspruchen zu können. Solche sogenannten Bergbauschadenverzichtsklauseln sind zu Zeiten des Steinkohlebergbaus häufig im Grundbuch als Grunddienstbarkeit eingetragen worden, üblicherweise gegen Zahlung eines frei verhandelbaren Entgeltes an den Grundstückseigentümer.

Das klägerische Grundstück überdeckt einen Teil der Bergwerksfelder, auf die sich die Bergbauschadenverzichtsklausel bezieht. Im Jahre 1965 wurde im Baufeld der Schachtanlage die Steinkohlegewinnung eingestellt und im weiteren Verlauf die Gesamtstilllegung des Steinkohlebergwerks verfügt. Bei der Beklagten handelt es sich um die Eigentümerin der Bergwerksfelder sowie der Steinkohlebergwerke.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Zustimmung zur Löschung der oben genannten Grunddienstbarkeit mit dem Argument, dass wegen der bereits vor über 50 Jahren erfolgten Stilllegung des Bergwerkbetriebs in Zukunft keine Bergbauschäden mehr zu erwarten seien. Ohne die Gefahr solcher Bergbauschäden sei die Grundlage für die im Grundbuch eingetragene Grunddienstbarkeit entfallen und damit eine sogenannte Löschungsreife der Grunddienstbarkeit eingetreten. Dies deshalb, weil der Gesetzgeber solche sogenannten Ewigkeitslasten im Grundbuch vermeiden möchte. Soweit in diesem Zusammenhang von einer Löschungsreife auszugehen ist, führt dies zur Unrichtigkeit des Grundbuchs, sodass die Beklagte eine Zustimmung zur Grundbuchberichtigung schuldet.

Das OLG Hamm sieht grundsätzlich einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung gemäß § 894 BGB für den Fall, dass die eingetragene Grunddienstbarkeit löschungsreif ist. Eine solche Löschungsreife im Sinne von § 1019 BGB liegt dann vor, wenn infolge einer Veränderung des betroffenen Grundstücks die Ausübung der Grunddienstbarkeit dauernd ausgeschlossen ist oder wenn der Vorteil für das herrschende Grundstück infolge grundlegender Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlage objektiv und endgültig wegfällt. Das OLG Hamm hatte sich daher mit der Frage zu befassen, ob der Vorteil im Zusammenhang mit der Bergbauschadenverzichtsklausel als Grunddienstbarkeit für die Zukunft endgültig weggefallen ist. Das wiederum ist der Fall, wenn künftig Bergbauschäden ausgeschlossen werden können. Bei dieser Frage sind zum einen der tagesnahe Abbau und zum anderen der Tiefbau nach bergbauschadensrechtlichen Risiken zu bewerten. Dabei kommt es dann jeweils auf den Einzelfall an. Will der Grundstückseigentümer die Bergbauschadenverzichtsklausel löschen lassen ist er darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass mit Bergbauschäden in Form von Absenkungen, Setzungsrissen oder Tagesöffnungen (sogenannte Tagebrüche) in Zukunft unter keinen Umständen zu rechnen ist.

Das OLG Hamm hat in der Entscheidung die Beantwortung der Frage künftiger Bergschäden im Zusammenhang mit dem tagesnahen Abbau und dem Tiefbau offengelassen. Stattdessen hat der Senat auf das neue Grubenwasserkonzept abgestellt, auf das sich die Beklagte im Rechtsstreit bezog. Bei dem Grubenwasserkonzept handelt es sich um eine langfristige Optimierung der Grubenwasserhaltung. Auch nach der Stilllegung eines Bergwerks sammelt sich weiterhin Regenwasser in den Grubenräumen. Um zu verhindern, dass es durch das Grubenwasser aus stillgelegten Bergwerken nach Einstellen des Pumpbetriebes zu negativen Auswirkungen wie etwa einem Kontakt mit Trinkwasser kommt, ist auch weiterhin eine Förderung des Grubenwassers erforderlich. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass nach dem vom Grubenwasserkonzept vorgesehenen Grubenwasseranstieg unter dem gesamten Ruhrgebiet diverse negative Auswirkungen verursacht werden. Von diesen Auswirkungen umfasst sind beispielsweise eine Verunreinigung von Trinkwasservorkommen und die Gefahr von Tagebrüchen. Nach dem Grubenwasserkonzept kann es zudem vor allem im Süden des mittleren Ruhrgebiets zu Ausgasungen, insbesondere von Methan, an die Tagesoberfläche kommen. Des Weiteren heißt es im Konzept, dass mit dem Anstieg des Grubenwassers in einzelnen Revieren aufgrund der konkreten örtlichen Bedingungen Hebungen verbunden waren und sind. Zwar sollen durch Hebungen keine erheblichen Schäden entstehen, wenn nicht besondere Umstände zusammenkommen. Ob es derartige besondere Umstände in Bezug auf das Grundstück der Klägerin gibt, konnte der Senat nicht endgültig verneinen.

Das OLG Hamm bewertet eine solche Gefahr durch den Anstieg des Grubenwassers nach Stilllegung eines Bergwerks als Folge des Bergbaus. In der Konsequenz bedeutet dies, dass es sich um Bergbauschäden handelt, soweit durch den Grubenwasseranstieg hebungsbedingte Schäden eintreten. Sofern also durch das Grubenwasserkonzept künftige Schäden nicht ausgeschlossen werden können, sind Bergbauschäden in der Zukunft denkbar. Mit dieser Argumentation entfällt dann allerdings nicht der Vorteil der Bergbauschadenverzichtsklausel als Grunddienstbarkeit, sodass für diese Klausel keine Löschungsreife begründet werden kann. Ohne diese Löschungsreife besteht kein Anspruch zur Zustimmung zur Grundbuchberichtigung gemäß § 894 BGB.

Das Problem einer Bergbauschadenverzichtsklausel als Grunddienstbarkeit liegt darin, dass eine solche grundbuchmäßig erfasste Belastung zu einer Wertbeeinträchtigung der Liegenschaft führt. Dies wiederum hat zum Beispiel negative Auswirkungen auf die Möglichkeit, das Grundstück mit Grunddienstbarkeiten etwa zur Finanzierung zu belasten. Insofern kann durchaus großes Interesse bestehen, solche Bergbauschadenverzichtsklauseln aus dem Grundbuch löschen zu lassen. Nach der Entscheidung des OLG Hamm wird dies sicher nicht einfacher. Allerdings kommt es zusätzlich zur Einzelfallbetrachtung und zur konkreten Grundstückssituation immer auch auf die Frage an, ob die Bergbauschadenverzichtsklausel überhaupt hinreichend bestimmt und wirksam vereinbart ist. Diese Frage hat mit künftigen Bergbauschäden und dem Grubenwasserkonzept nichts zu tun und ist ausschließlich unter rechtlichen Gesichtspunkten zu beantworten.

Für eine solche Prüfung stehen die im Immobilienrecht tätigen Anwälte bei SPIEKER & JAEGER jederzeit sehr gern zur Verfügung.

  • Jens Ewelt

    • Rechtsanwalt
    • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
    • Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht