In den letzten Jahren wurden vermehrt deutsche Unternehmen durch sogenannte „DSGVO-Hopper“ auf Schadensersatz in Anspruch genommen, weil Auskunftsanfragen nach Art. 15 Datenschutzgrund-Verordnung (DSGVO) angeblich nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig beantwortet wurden. Diese Klagen zielen oft auf hohe finanzielle Entschädigungen ab, ohne dass tatsächlich ein konkreter Schaden nachweisbar ist. Die Frage, ob eine bloße Verletzung der Auskunftspflicht einen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO rechtfertigt, wurde in einer Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen und auch in Entscheidungen von Landesarbeitsgerichten bejaht. Diese Rechtsprechung erfährt derzeit eine Änderung.
In der aktuellen Rechtsprechung, insbesondere durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH), das Bundesarbeitsgericht (BAG) und verschiedene Landesarbeitsgerichte (LAG), wurde klargestellt, dass ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO nicht allein aufgrund einer Verletzung der Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO besteht. Die Gerichte haben sich intensiv mit der Frage beschäftigt, dass und wie der Nachweis eines Schadens geführt werden muss und inwieweit der bloße Verstoß ausreicht, um einen Anspruch zu rechtfertigen.
Der EuGH stellte klar, dass es nicht ausreicht, wenn lediglich ein formaler Verstoß gegen die DSGVO vorliegt (Urt. v. 04.05.2023, C-300/21). Vielmehr muss ein konkreter Schaden – sei es materiell oder immateriell – entstanden sein. In seiner Argumentation betonte der EuGH, dass Art. 82 DSGVO zwar ein hohes Schutzniveau für betroffene Personen vorsieht, jedoch muss der Schaden in einem klaren Kausalzusammenhang mit der DSGVO-Verletzung stehen. Diese Differenzierung ist entscheidend, weil sie verhindert, dass bloße Formfehler automatisch zu hohen Entschädigungen führen, ohne dass ein tatsächlicher Schaden vorliegt. Zudem stellte der EuGH klar, dass es keine „Bagatellgrenze“ gibt, also auch geringe Schäden berücksichtigt werden müssen – jedoch nur, wenn sie nachweisbar sind.
Das BAG knüpfte an diese Rechtsprechung an und konkretisierte die Anforderungen an den Nachweis eines Schadens (Urt. v. 20.06.2024, 8 AZR 124/23). Das Gericht entschied, dass ein immaterieller Schaden, wie allgemeines Unbehagen oder Unsicherheitsgefühle, nicht ausreichend sei, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Der Kläger müsse zeigen, dass er durch die verspätete oder unvollständige Auskunft tatsächlich beeinträchtigt wurde. Das BAG folgte damit der Linie des EuGH und setzte hohe Anforderungen an die Kausalitätsprüfung. In der Argumentation des Senats wurde herausgestellt, dass ein konkreter und nachweisbarer Zusammenhang zwischen der DSGVO-Verletzung und dem entstandenen Schaden hergestellt werden muss.
In zwei weiteren Entscheidungen deutscher LAG wurde diese strenge Linie fortgesetzt. Das LAG Rheinland-Pfalz entschied, dass eine bloße unvollständige oder verspätete Auskunft nicht automatisch zu einem Schadensersatzanspruch führe, wenn kein konkreter Schaden – sei es materiell oder immateriell – nachgewiesen werden kann (Urt. v. 08.02.2024, 5 Sa 154/23). Das Gericht stellte fest, dass der Kläger in der Lage sein muss, den Schaden genau zu beschreiben und zu belegen, dass dieser Schaden direkt auf die Verletzung der Auskunftspflicht zurückzuführen ist.
Ähnlich argumentierte das LAG Hamm (Urt. v. 15.03.2024, 11 Sa 300/23). Das Gericht betonte, dass eine bloße Vermutung oder der behauptete Verlust der Kontrolle über persönliche Daten nicht genügt, um Schadensersatz zu rechtfertigen. Auch hier wurde der Kläger dazu aufgefordert, einen klaren Kausalzusammenhang zwischen der DSGVO-Verletzung und einem tatsächlichen immateriellen Schaden darzulegen.
Die Gerichte haben in ihren Entscheidungen deutlich gemacht, dass nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO automatisch zu einer Schadensersatzpflicht führt. Vielmehr muss der Kläger in jedem Fall den konkreten Schaden, der durch die Verletzung entstanden ist, nachweisen. Damit ist es Unternehmen möglich, formale Verstöße zu korrigieren, ohne sofort mit hohen Schadensersatzforderungen konfrontiert zu werden, solange kein echter Schaden nachweisbar ist. Diese Rechtsprechung verhindert den Missbrauch von Schadensersatzforderungen und setzt klare Grenzen, wann ein Verstoß tatsächlich zu finanziellen Ansprüchen führen kann.