Gesetzgeber erschwert die Insolvenzanfechtung

Der Bundestag hat mehrere Änderungen des Insolvenzanfechtungs-rechtes beschlossen, die am 5. April 2017 in Kraft traten. Damit sollten Rechtsunsicherheiten beseitigt werden. Hintergrund der Gesetzesänderungen ist die Rechtsunsicherheit insbesondere von Vertragspartnern insolventer Schuldner, die mit dem Schuldner in der Zeit vor der Insolvenz noch Güter, Leistungen oder Gelder ausgetauscht haben und nach der Insolvenz die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter befürchten müssen. Bisher bestand für diese das Risiko, dass der spätere Insolvenzverwalter die seitens des Insolvenzschuldners gewährten Leistungen zurückverlangt, obwohl der Anfechtungsgegner seine Ansprüche ggfls. nur zur Insolvenztabelle anmelden kann und dann oftmals allenfalls einen Teil hiervon zurückerlangt. Damit verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, dem Wirtschaftsverkehr und insbesondere Arbeitnehmern mehr Sicherheit und Klarheit zu geben, ob und in welchem Umfang sie später mit einer Anfechtung rechnen müssen.

Die wohl schwerwiegendste Änderung erfuhr die sog. Vorsatzanfechtung im Sinne des § 133 Insolvenzordnung (InsO). Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Insolvenzschuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Insolvenzantrag mit sog. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen hat. Für die Anfechtung von sog. Deckungshandlungen, durch die der Gläubiger eine Absicherung oder sogar Befriedigung erhält, hat der Gesetzgeber nun Sonderregelungen geschaffen. Danach ist die Anfechtungsfrist für Deckungshandlungen auf 4 Jahre verkürzt worden. Grundsätzlich bleibt es allerdings bei der 10-jährigen Anfechtungsfrist. Dem Insolvenzverwalter bleibt es zukünftig aber grundsätzlich möglich, schon das sog. Verpflichtungsgeschäft anzufechten, auch wenn die Frist für die späteren Deckungshandlungen nun verkürzt worden ist. Denn für die Anfechtung des Verpflichtungsgeschäftes bleibt die 10-jährige Anfechtungsfrist bestehen.

Die Anfechtung ist darüber hinaus dadurch erschwert worden, dass nunmehr die gesetzliche Vermutung der Kenntnis des Anfechtungsgegners von dem sog. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des späteren Insolvenzschuldners eingeschränkt wurde. Bisher wurde diese für eine Anfechtung erforderliche Kenntnis schon dann vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Durch die Gesetzesänderung wurde nun letztlich eine Beweislastumkehr zu Lasten des Insolvenzverwalters eingeführt. Denn zukünftig reicht seitens des Anfechtungsgegners die Kenntnis der nur drohenden Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen nicht mehr aus. Die gesetzliche Vermutung greift damit faktisch erst dann, wenn der Anfechtungsgegner zur Zeit der Handlung die eingetretene (und nicht nur drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte. Früher griff die gesetzliche Vermutung schon weit früher ein.

Eine in der Praxis wohl noch relevantere Gesetzesänderung führt dazu, dass derjenige, der eine Zahlungsvereinbarung trifft oder eine Zahlungserleichterung gewährt, die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach der Vermutung des Gesetzgebers grundsätzlich nicht kennt. Denn dann wird aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nun vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. Danach muss zukünftig der Insolvenzverwalter diese Vermutung widerlegen und trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Auch dies dürfte die Anfechtung in vielen Fällen erschweren.

Bislang waren sog. Bargeschäfte einem geringeren Anfechtungsrisiko ausgesetzt. Der Gedanke hierfür war, dass grundsätzlich bei Bargeschäften und einem engen zeitlichen Austausch der Leistungen beider Seiten in der Regel der Vermögensmasse eine werthaltige Gegenleistung zufließt, so dass derartige Geschäfte nicht angefochten werden sollen. Dieses sog. Bargeschäftsprivileg i.S.d. § 142 InsO wurde durch den Gesetzgeber nun nochmals ausgeweitet. Denn auch bei Bargeschäften blieb bislang die Vorsatzanfechtung möglich und diese soll jetzt nur noch dann möglich sein, wenn ergänzend zu den üblichen Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung zusätzlich noch eine „Unlauterbarkeit“ des Handelns des Insolvenzschuldners durch den anderen Teil erkannt wurde. Dies soll nach der Begründung des Regierungsentwurfes dann anzunehmen sein, wenn ein besonderer Unwert in dem Verhalten des Schuldners zu erkennen war. Die bloße Vornahme einer Handlung durch den Schuldner in dem Bewusstsein, später dann nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger zu befriedigen, soll also nicht ausreichen. Es bleibt abzuwarten, ob und wieweit dieser unbestimmte Rechtsbegriff der Unlauterbarkeit durch die Rechtsprechung näher definiert und konkretisiert wird. Der Begriff der Unlauterbarkeit bleibt nämlich unscharf und bedarf zunächst einmal der Konkretisierung, wenn wirklich mehr Rechtssicherheit geschaffen werden soll.

Nach der ebenfalls neu eingeführten Definition der Unmittelbarkeit i.S.d. § 142 Abs. 2 InsO ist der Austausch von Leistung und Gegenleistung dann unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Letztlich ist dadurch aber kaum eine wesentliche Veränderung der Rechtslage herbeigeführt worden, weil auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) bisher mit einer vergleichbaren Definition arbeitete. Da sich insbesondere die Gepflogenheiten branchenspezifisch, saisonspezifisch und auch in Abhängigkeit von der konkreten Region und dem konkreten Land verändern können, wird auch dieser Rechtsbegriff zunächst durch die Rechtsprechung weiter konkretisiert werden müssen, um tatsächlich etwas mehr Rechtssicherheit herzustellen. Immerhin ist hierfür aber die Grundlage geschaffen worden.

Arbeitnehmern hat der Gesetzgeber aber schon jetzt direkt weitergeholfen. Denn der Gesetzgeber hat eine neue Definition für den sog. engen zeitlichen Zusammenhang vorgegeben. Danach ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgeltes 3 Monate nicht übersteigt. Dadurch wird der Schutz der Arbeitnehmer vor etwaigen Rückforderungen durch den Insolvenzverwalter in diesen Zeitraum vergrößert und aus deren Sicht für mehr Rechtssicherheit gesorgt.

Im Ergebnis hat der Gesetzgeber also weitreichende Änderungen des Insolvenzanfechtungsrechtes mit dem Ziel vorgenommen, für mehr Rechtsklarheit und Rechtsicherheit zu sorgen. Dieses Ziel ist angesichts der neu eingeführten unbestimmten Rechtsbegriffe allerdings nur teilweise erreicht worden. Ein maßgeblicher Schritt zur Erschwerung der Anfechtung dürfte allerdings die Einführung einer Gegenvermutung bei Zahlungsvereinbarungen und Zahlungserleichterungsvereinbarungen darstellen. Nun ist insbesondere die Rechtsprechung gefordert, durch die Konkretisierung der neuen Rechtsbegriffe wirklich mehr Klarheit zu schaffen.

  • Dr. Steffen Lorscheider, LL.M.

    • Rechtsanwalt und Notar
    • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht