1 Jahr Geoblocking-Verordnung – Ein praktischer Überblick

Nunmehr seit rund einem Jahr – Dezember 2018 – müssen Unternehmen, die innerhalb der Europäischen Union („EU“) Produkte oder Dienstleistungen für Endkunden online anbieten, die sogenannte Geoblocking-VO (Verordnung (EU) 2018/302) beachten. Danach soll jeder EU-Bürger in jedem Mitgliedstaat zu den Bedingungen der dort ansässigen Kunden einkaufen können („Shop Like A Local – Prinzip“). Es soll verhindert werden, dass Anbieter den grenzüberschreitenden Zugriff von einem Kunden auf länderspezifische Inhalte von Webshops, Apps oder sonstigen kommerziellen online-Angeboten sperren oder beschränken. Praktisch wird damit durch die Geoblocking-VO das kartellrechtliche Verbot einer grenzüberschreitenden Beschränkung passiver Verkäufe in der EU fortgeschrieben. Im Gegensatz zu den kartellrechtlichen Vorgaben, die eine zweiseitige beschränkende Vereinbarung (zwischen Hersteller und Händler) untersagen, regelt die Geoblocking-VO einseitige Zugriffsbeschränkung.

Für die Durchsetzung der Geoblocking-VO ist in Deutschland die Bundesnetzagentur zuständig (sowie ebenfalls für die dazugehörige Beratung von Verbrauchern). Sollte sich die Bundesnetzagentur für eine Sanktionierung entscheiden, kann sie ein Bußgeld gegen das verstoßende Unternehmen von bis zu EUR 300.000 verhängen. Parallel dazu bleibt das Bundeskartellamt für die Durchsetzung der kartellrechtlichen Vorgaben mit dem bekannten deutlich strengeren Bußgeldrahmen zuständig. Zusätzlich steht es Mitbewerbern von Anbietern und Verbraucherverbänden offen, im Falle eines unzulässigen Geoblockings auf Unterlassung zu klagen. Darüber hinaus kann ein Anspruch auf Schadensersatz bestehen.

Im Einzelnen verbietet Art. 3 Geoblocking-VO, Unternehmen in der EU den Zugriff auf Benutzeroberflächen ihrer Onlineshops, Apps oder vergleichbaren Angebotsmöglichkeiten wegen der Nationalität, Herkunft oder Niederlassung des Kunden zu beschränken. Jedem potentiellen Kunden in der EU muss also grundsätzlich die technische Möglichkeit offenstehen, jeden länderspezifischen Onlineshop anzusteuern und die dortigen Angebote anzusehen. Entsprechende Einkaufsmöglichkeiten dürfen nicht anhand der IP-Adresse des Besuchers geblockt werden oder durch andere Beschränkung wie etwa die fehlende Anzeige von Preisen oder von einzelnen Produkten beschränkt werden. Um Umgehungen auszuschließen, untersagt Art. 3 Abs. 2 Geoblocking-VO weiterhin die Weiterleitung eines Kunden wegen dessen Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder des Orts seiner Niederlassung zu einer anderen Version der betreffenden Online-Benutzeroberfläche des Anbieters, soweit der Kunde dieser Weiterleitung nicht ausdrücklich zugestimmt hat.

Hingegen ergibt sich aus Art. 3 Geoblocking-VO weder die Pflicht, einen Webshop in den Sprachen aller EU-Mitgliedsstaaten bereitzustellen, noch das Erfordernis, in allen länderspezifischen Onlineshops dieselben Produkte oder Dienstleistungen anzubieten. Auch inländische Differenzierungen sind grundsätzlich weiter zulässig – so etwa wenn der Online-Fanshop eines Dortmunder Ballsportvereins für Kunden aus Gelsenkirchen nicht aufrufbar wäre –, soweit gewährleistet ist, dass Fußballfans beispielsweise aus den Niederlanden ungehindert Zugriff auf den Online-Shop haben.

Weiterhin verbietet Art. 4 Geoblocking-VO, dass allgemeine Geschäftsbedingungen einschließlich Preisen und Sonderaktionen unterschiedlich angezeigt werden, wenn ein Nutzer die Webseite außerhalb desjenigen Gebiets ansteuert, auf das sie ausgerichtet ist. In Ausnahmefällen sind Abweichungen dann zulässig, wenn Unterscheidungen getroffen werden, die objektiv gerechtfertigt sind und nicht auf der Staatsangehörigkeit, der Herkunft oder der Niederlassung beruhen. Sieht ein Anbieter also vor, dass für Bestellungen aus Belgien andere Preise oder Lieferkosten als in Deutschland gelten, müssen diese Bedingungen nicht auf Bestellungen belgischer Kunden auf der deutschen Homepage übertragen werden. Die AGB auf der deutschen Webseite dürfen auch vorsehen, dass die Waren nur nach Deutschland geliefert werden. Eine Abholmöglichkeit in Deutschland für ausländische Kunden muss der Anbieter nicht schaffen. Diesbezüglich sind bei entsprechenden Vorgaben im Verhältnis Hersteller-Händler allerdings die allgemeinen kartellrechtlichen Vorgaben zu beachten.

Schließlich schließt Art. 5 Geoblocking-VO eine Diskriminierung bei Zahlungsbedingungen aus. Es müssen grundsätzlich dieselben Zahlungsbedingungen für Bestellungen aus allen Mitgliedstaaten gelten. Mit Blick auf die unterschiedlichen Währungen innerhalb der EU ist jedoch nicht Voraussetzung, dass mehrere oder gar alle innerhalb der EU verwendeten Währung akzeptiert werden. Sieht also ein Anbieter nur die Bezahlung in Dänischen Kronen vor, stellt dies keine Diskriminierung dar, sofern dies für Zahlung von Kunden aus allen EU-Mitgliedstaaten gilt.

Die Geoblocking-VO geht nicht mit einem Kontrahierungszwang oder einem Belieferungsanspruch einher. Anbieter dürfen die Lieferung in bestimmte Gebiete oder den Vertragsschluss mit bestimmten Kunden weiterhin aus sachlich gerechtfertigten Gründen ablehnen. Zu solchen Gründen zählen etwa ein erhöhtes Produkthaftungsrisiko oder das Risiko von Markenrechtsstreitigkeiten in einem bestimmten Mitgliedstaat, zu hohe Kostenrisiken im Gewährleistungsfall und wohl auch die konkrete Gefahr unerwünschter Weiterverkäufer vermeintlicher Endkunden bei einem stark nach unten abweichenden Preisniveau in bestimmten Mitgliedstaaten. Im Ergebnis führt die Geoblocking-VO für Online-Anbieter zwar zu einer grenzüberschreitenden Ausweitung ihres Angebots, zum anderen aber auch zu einer Verkomplizierung der Vertragsabwicklung. Die möglicherweise daraus resultierenden Streitigkeiten können ein hohes Kostenrisiko in sich bergen.

  • Prof. Dr. Thomas Thiede, LL.M.

    • Rechtsanwalt
    • Deutsches und europäisches Kartellrecht / Fusionskontrolle
    • Honorarprofessor der Karl-Franzens-Universität Graz