Arbeitsrecht: Bundesteilhabegesetz führt zu wesentlichen Änderungen im Arbeitsrecht

Das im Dezember 2016 verabschiedete Bundesteilhabegesetz (BT-Drs 18/9522) enthält weitreichende und wichtige Neuregelungen für die arbeitsrechtliche Praxis, insbesondere im Recht der Schwerbehindertenvertretung. Die wesentlichen Neuregelungen fassen wir in diesem Beitrag zusammen:

Schwellenwerte für die Freistellung der Vertrauensperson

Nach der bisherigen gesetzlichen Regelung war die gewählte Vertrauensfrau der Schwerbehinderten von ihrer Arbeitsverpflichtung freizustellen, wenn in dem Betrieb oder der Dienststelle wenigstens 200 schwerbehinderte oder Schwerbehinderten gleichgestellte Arbeitnehmer beschäftigt wurden. Seit dem 01.01.2017 ist diese Schwelle auf 100 halbiert worden.

Anspruch auf eine Bürokraft der Schwerbehindertenvertretung

Die Schwerbehindertenvertretung erhält nach der gesetzlichen Neuregelung einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf die Unterstützung einer Bürokraft im erforderlichen Umfang.

Unwirksam einer Kündigung ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

Nach der bisherigen Rechtslage hatte die unterbliebene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei personellen Entscheidungen, insbesondere bei Kündigungen, nach § 95 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX nicht die absolute Unwirksamkeit der Maßnahme zur Folge. Die unterlassene Beteiligung hatte lediglich die Aussetzung der Vollziehung der Maßnahme zur Folge. Mit der Einführung des Satzes 3 in § 95 Abs. 2 SGB IX wird das Recht der Schwerbehindertenvertretung nunmehr im Bereich von Kündigungen erheblich gestärkt, denn die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers oder eines Schwerbehinderten gleichgestellten Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber ohne die vorherige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, ist absolut unwirksam. Der Arbeitgeber muss also zukünftig die Schwerbehindertenvertretung vor einer beabsichtigten Kündigung umfassend unterrichten und anhören. Auswirkungen hat dies auch für das Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt. Da unter „Entscheidung“, zu der eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung stattfinden muss, bei beabsichtigten Kündigungen schon die Beantragung der Zustimmung des Integrationsamtes zu verstehen ist, muss die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung also künftig vor dieser Beantragung erfolgen. Ohne die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung müsste das Integrationsamt das Verfahren aussetzen. Der Arbeitgeber könnte die Anhörung binnen 7 Tagen nachholen. Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung aber irrtümlich ohne die vorherige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, folgt daraus die Unwirksamkeit der Kündigung. Das Abwarten einer Frist zur Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung, vergleichbar zu § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bei der Anhörung des Betriebsrats vor Kündigungen, ist gesetzlich nicht geregelt.

Fortbildungsanspruch für Stellvertreter

Mit der gesetzlichen Neuregelung in § 96 Abs. 4 SGB IX erhält der erste Stellvertreter dieselben Fortbildungsmöglichkeiten mit den entsprechenden Freistellungsansprüchen wie die gewählte Vertrauensperson selbst.

Vollständige gesetzliche Neuregelung

Ab dem 01.01.2018 wird das Schwerbehindertenrecht völlig neu strukturiert. Das gesamte Recht der Schwerbehinderten wird dann in den §§ 151 ff SGB IX zusammengefasst.